Liebe bringt die höchsten Zinsen
nach langen Zweifeln und noch größerer Verzweiflung der jungen Mutter.
So entschloss ich mich, nur eines der beiden Mädchen in das offizielle Leben eintreten zu lassen, indem ich seine Geburt meldete. Es war das Erstgeborene und Schwächere von beiden, von dem der Erzeuger, wie gesagt, nichts ahnte. Das wollte die junge Frau bei sich behalten, zumal sie nicht sicher war, ob es ohne die Wärme der Mutter die ersten Monate überstehen würde. Sie gab ihm den Namen Katharina."
Kathi sprang erregt auf: „Deshalb hatte ich keinen Vater!"
„Ihre Mutter sorgte sich natürlich. Deshalb hatte er ihr ein Häuschen in Norddeutschland versprochen und auch etwas Geld, damit sie über die Runden käme – verbunden mit der Bitte, nie mehr nach Bayern zurückzukommen."
Empört fügte Kathi hinzu: „Als es Geld gab, hatte sie keine Zukunftsängste mehr?"
„Sie hatte das Geld vor ihrer Niederkunft stets abgelehnt. Doch dann, als sie mehr Verantwortung trug, hat sie es doch angenommen."
Die ehemalige Hebamme wandte den Blick zu Stefanie und fuhr fort: „Für das stärkere Baby, dessen Existenz nirgendwo festgehalten worden war und das sehr viel lebensfähiger schien, führte die Mutter in ihrer Verzweiflung den gefährlichen Plan aus. Sie legte dieses Baby absprachegemäß vor der Kirche in Talstadt ab. So hoffte sie, dass beide Kinder eine glückliche Zukunft erhalten würden."
Stefanie und Kathi waren zu keiner Reaktion fähig. Frau Baumgärtner senkte den Blick zu Boden, sagte mit leiser Stimme: „Ich hatte durch meine Beteiligung so viel Schuld auf mich geladen, dass ich meinen Beruf nicht mehr fortsetzen konnte. Ich war seitdem nie mehr als Hebamme tätig."
Die Rückblende der Greisin fügte das letzte Teil in das Puzzlebild des Lebens. Der Plan war aufgegangen, Waldenberg hatte sein eigenes heimliches Kind scheinheilig adoptiert - mit Hilfe seiner lokalen Verbindungen und dank des hohen Ansehens, das er und seine Ehefrau genossen. Und da keine Behörde ihr genaues Geburtsdatum kannte, galt der Tag des Auffindens als offizieller Geburtstag – und nicht der 14. August.
Stefanie war einem Zusammenbruch nahe. Besorgt nahm Kathi sie in den Arm.
Die Hebamme versuchte sie zu trösten: „Ihre Mutter hätte es nie getan, wenn sie nicht gewusst hätte, dass Sie es auf diesem Wege besser haben würden."
„Woher soll sie das denn gewusst haben?"
„Sie haben Recht: Sie konnte nur darauf hoffen."
Die alte Frau fügte hinzu: „Es war eine andere Zeit damals. Ihre Mutter fühlte sich in einer ausweglosen Situation und auch Ihr Herr Vater fühlte sich überfordert. Er litt unter dem, was er angerichtet hatte. Und er wurde im Laufe der Jahre dafür mit der Last eines Doppellebens gestraft."
Keine der drei Frauen sprach ein Wort. Ein Zimmermädchen klopfte an, Kathi wies es ab und hängte ein Schild an den Außenknauf: „Bitte nicht stören."
Frau Baumgärtner blickte den beiden Schwestern mit Demut und Verständnis in die Augen, bevor sie ihrer ungeheuerlichen Schilderung eine Bitte anschloss:
„Es ist wohl nicht möglich, aber Sie sollten Ihrem Vater und Ihrer leiblichen Mutter zu verzeihen versuchen: Sie beide sind Kinder der Liebe und Ihre leiblichen Eltern waren einfach nur ratlos und verzweifelt."
Sie hatte genug geredet. Erschöpft sank sie in sich zusammen. Stefanie fragte sie in höchster Sorge: „Soll ich einen Arzt rufen?"
Die 78-Jährige wehrte ab: „Ich muss mich nur ein paar Minuten ausruhen. Dann fahre ich mit dem nächsten Zug zurück."
Gestützt auf Stefanie und Kathi griff sie nach ihrer Patchwork-Lederhandtasche und schlurfte zur Tür. Bevor sie verschwand, drehte sie sich noch einmal herum: „Ich bin sehr glücklich, dass es Ihnen beiden gut geht. Möge das Glück Sie nie verlassen."
Dann gestand die ehemalige Hebamme: „Seit dem 14. August vor 34 Jahren waren meine Gedanken bei Ihnen. Ich hatte immer gehofft, Sie vor meinem Tod noch einmal zu sehen. Jetzt ist mein Wunsch erfüllt, bevor meine Zeit abgelaufen ist. Gott segne und behüte Sie."
Die alte Frau, die als Erste in ihr Leben getreten war, wandte sich zum Gehen.
„Bleiben Sie!" Stefanie sprang auf, geleitete sie zurück zu ihrem Sessel. „Wenn Sie nicht gewesen wären – wer weiß, wie unser Leben ausgesehen hätte. Und ob Kathi und ich uns je gefunden hätten!"
„Sie bleiben zur
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