Liebe bringt die höchsten Zinsen
weiter stoppte er an einem Halteplatz und rief erregt Romano, Bertones Sicherheitschef, an: „Die Deutsche ist tot."
„Bist du betrunken?"
„Bin ich blöd?"
„Was is' los?"
„Sie wollte mich abhängen und is' über die Leitplanke."
„Was ist sie?"
„Sie hat die Kurve nich' gekriegt und is' aus der Kurve..."
„Ist sie verletzt?"
„Ich sach doch: Sie ist tot. Sie brennt da unten in ihrem
Auto."
26. Sechs Herren und ein Dekolleté
Kathi überlegte hin und her, drehte sich vor dem großen Spiegel in Stefanies Zimmer und betrachtete sich. Dann entschied sie sich kurzfristig gegen das ursprünglich vorgesehene Dirndl. Schließlich hatte sie noch den Rat von Frau Zupfert in den Ohren, die ihr "eine konservative Kleidung" empfohlen hatte. Ihr war klar geworden, dass weibliche Banker schwarze Kostüme tragen müssen. Und dieses hier war genau das Richtige – wenngleich ein wenig eng für sie; vermutlich war auch Stefanie längst herausgewachsen... Darunter eine weiße Bluse, den oberen Knopf geöffnet. Das reicht noch nicht, entschied sie, ein Knopf mehr muss es doch noch sein, sonst sieht es echt zu spießig aus.
Die enge Jacke wirkte besonders vorteilhaft. Kathi hatte in den letzten Jahren viel Wassersport getrieben und eine größere Oberweite entwickelt als ihre Schwester. Das Leben an der Ostsee hatte ihr dazu noch eine goldene Bräune geschenkt. Eine Perlmutt-Spange hielt ihr – dunkel gefärbtes – Haar am Hinterkopf zusammen.
Die unkomplizierte Kathi schlüpfte zwar in die Rolle Stefanies, doch Kleidung allein konnte ihr unbekümmertes Wesen und Auftreten nicht einzwängen.
Und so löste die kontaktfreudige Frohnatur in der verstaubten Bankenszene im tiefen Bayern wenig später atemberaubendes Erstaunen aus.
***
Frau Zupfert läutete pünktlich um 20 Uhr, in ihrer Hand eine Mappe mit verschiedenen Papieren, die sie vor Kathi auf dem Wohnzimmertisch ausbreitete:
„Dies ist die Tagesordnung", erläuterte sie, „da stehen alle Themen drauf, die an diesem Abend zur Sprache kommen. Aber die wichtigste Frage ist und bleibt: Wollen Sie wirklich als Ihre Schwester auftreten?"
„Wenn Sie mir die einzelnen Gäste und Bankmitarbeiter vorstellen, kann eigentlich nichts schiefgehen."
„Also gut: Ich warte um 16 Uhr 50 an der Eingangstür auf Sie. Pünktlich um 17 Uhr sollte Ihre Schwester, pardon: sollten Sie den Saal betreten. Die Kunden werden an Bistrotischen stehen; alle werden vermutlich ein Champagnerglas in der Hand halten, um anschließend auf Ihr Wohl anzustoßen.
Der Herr Rottmayer wird Sie begrüßen, danach führe ich Sie herum und mache Sie mit den wichtigsten Gästen bekannt. Es erwartet niemand, dass Sie sie kennen – geschweige denn deren Geschäftsverbindung.
Es reicht völlig, wenn Sie einen guten Abend wünschen. Je weniger Sie sagen, desto weniger wird auffallen, dass ‚Stefanie' sich verändert hat. Die Anwesenden sind eben eine zurückhaltende Frau Waldenberg gewohnt."
„Keine Sorge, ich hatte schon Dutzende Auftritte in unserer Theatergruppe."
„Und wenn Sie selbst ein paar Begrüßungsworte sagen wollen – hier, auf diesen Kärtchen – da habe ich Ihnen Stichworte notiert."
„Super. Klasse vorbereitet!"
„Und hier, in dieser Mappe, sind ein paar Informationen zu den sechs wichtigsten Teilnehmern: ihre Rolle, ihre Bedeutung – und eine kleine Bewertung von mir."
„Und wer ist das alles?"
„Der Herr Rottmayer..."
„'kenn' ich schon,"
„...drei Vertreter der Alpenländischen Landesbank".
„Aha, gut zu wissen."
„...und hier der Herr Staatssekretär und der Jubilar, dem Sie gratulieren sollten."
„Dann lern' ich ja jetzt schon 'mal die Wichtigsten kennen, prima!"
„Und zum Abschluss sollten Sie ein paar Dankesworte an den Betriebsratsvorsitzenden, den Herrn Wenger, richten. Er feiert sein 40. Berufsjubiläum bei uns! Das gibt es nur hier: eine solche Betriebstreue. 40 Jahre, das muss man sich mal vorstellen."
„Treibt er noch Sport, der alte Herr?"
„Wie bitte?"
„Ach, schon gut. Ist eh nicht wichtig."
Als Frau Zupfert gegangen war, blätterte Kathi die Stichworte zu den sechs Teilnehmern durch. „Dossiers" hatte die Zupfert auf die Mappe geschrieben.
Und dann fiel ihr ein, wie sie ihre Kompetenz als Bankerbin unter
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