Liebe bringt die höchsten Zinsen
schnell näher; die Gebäude auf der Insel rückten langsam ins Blickfeld - geschützt von hohen Bäumen rundherum: von Zypressen und Weiden, Pappeln und chinesischen Götterbäumen. Sie schirmten die Klostermauern ab gegen Sturm und Hitze.
„Ich empfehle Ihnen, die Bibliothek zu besichtigen mit den bedeutenden Schriften aus verschiedenen Jahrhunderten", sagte der Glaubensbruder; „das wertvollste Exemplar stammt aus dem Jahr 1487. Es enthält Fabeln des griechischen Dichters Äsop. Auch unsere Kirche sollten Sie aufsuchen. Sie hat eine der schönsten und seltensten Orgeln auf der ganzen Welt. Sie ist rund 300 Jahre alt."
Langsam schaukelte das Boot die letzten 100 Meter zur Insel heran.
Die Stimme des Bootsführers drang erneut aus den Lautsprechern: „Auf Visovac finden Sie einen kleinen Kiosk für Souvenirs und Getränke. Leider müssen alle Fahrgäste in 30 Minuten zurückfahren, um anderen Besuchern auf dem kleinen Eiland Platz zu machen. Übernachtungen sind nicht möglich; der Charakter der Insel soll so unbedingt gewahrt werden."
Stefanie wandte sich an Daniel: „Ich denke, hier wird für Touristen angebaut?" Daniel schwieg ahnungsvoll.
„Wo ist die Baustelle?" fragte Stefanie den Ordensbruder, als sie nur noch einen Eulenruf weit entfernt waren. Daniel übersetzte, der Mönch fragte zurück:
„Welche Baustelle?"
„Wo das Luxusresort entstehen soll..."
„Wir haben schon jetzt ein Luxusresort. Wo auf der ganzen Erde gibt es einen schöneren Platz, um dem Herrgott nahe zu sein?"
Er wartete keine Antwort ab. Er war glücklich und zeigte es. „Sagen Sie selbst: Ist die Landschaft mit ihren Seen und Wasserfällen nicht eines der schönsten Naturwunder, das uns von dort oben geschenkt wurde?"
Dabei deutete er zum Himmel. „Braucht ein Mensch weitere Reichtümer, um glücklich zu sein?"
Stefanie wurde erneut von einer Vorahnung befallen. Beunruhigt blickte sie auf das Kloster.
Das Boot hatte die Insel fast erreicht; es war kurz vor dem Anlegen. Ungläubig starrte Stefanie auf die alten Klostermauern und auf die sauber geweißten Wände mit ihren gepflegten schmucken Fensterläden: „Die sind doch gar nicht baufällig, wie Silvio behauptet hatte. Die sind doch hervorragend in Schuss. Und ein Bauschild fehlt auch. Angeblich wurde doch schon mit dem Bau begonnen. Außerdem ist die Insel doch viel zu klein für ein Resort."
Sie legten an und kletterten an Land. Der Franziskaner führte sie zum Kloster: „Es ist der barmherzigen Mutter Gottes geweiht. Deshalb nennt man diese kleine Insel auch Muttergottes-Insel."
Der kurze Weg zum Eingang des Klosters war schattig, die Luft angenehm kühl. Vögel zwitscherten aufgeregt in den Baumkronen, als beklagten sie das Geschnatter der Touristen.
Daniel wandte sich an den Ordensbruder: „Dürfen wir mit dem Abt sprechen?"
„Bei uns gibt es keine Äbte wie bei den anderen Orden. Unsere Klöster unterstehen einem Guardian. Und der wird in einem basisdemokratischen Entscheidungsprozess gewählt, für sechs Jahre."
„Nur für sechs Jahre?"
„Nach sechs Jahren kann er ein zweites Mal gewählt werden. Aber nur für drei weitere Jahre. Länger nicht. Es sei denn..."
„... ‚es sei denn' - was?"
„Es sei denn, er legt dazwischen eine Pause ein, wird wieder einfacher Bruder, also ohne Leitungsfunktion; dann darf er erneut für dieses Amt bestimmt werden. Das ist wie bei Putin in Russland: Nach zwei Amtsperioden als Präsident musste er erst einmal etwas anderes machen, dann durfte er wieder als Präsident kandidieren."
Dabei lachte der junge Franziskaner aus vollem Herzen.
„Und ist Ihr Guardian für uns zu sprechen?"
„Er wird Sie gerne begrüßen. Wir freuen uns über jeden Besucher." Der Franziskaner öffnete die schwere Tür am Klostereingang, ließ sie in einem Vorraum warten und verschwand in einem Nebengebäude.
Die dicken Mauern schenkten Kühle, das Innere vermittelte Andacht und Würde. An der Wand der gekreuzigte Jesus, aus Holz geschnitzt, Jahrhunderte alt.
Ein Ölgemälde erinnerte an Franz von Assisi. „Wo hängt hier das Gemälde von Bertones Großvater? Kannst du es sehen?", fragte Stefanie leise.
Der Journalist an ihrer Seite schüttelte den Kopf. „Ich befürchte, ein solches Bild werden wir weder hier noch in den anderen Räumen finden."
In diesem Augenblick betrat der
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