Liebe bringt die höchsten Zinsen
Ordensbruder mit zwei weiteren Franziskanern den Raum: „Das ist unser Guardian. Und das ist der Ökonom, wenn Sie wollen: der Spendenverwalter des Klosters."
Fröhlich begrüßten die Hinzugetretenen die beiden Besucher.
Daniel richtete das Wort an den Guardian: „Sie kennen doch die Familie Bertone...?"
„Leider nein. Die ist mir unbekannt."
„Und Sie kennen auch nicht den Bankier Silvio Bertone aus Mailand?"
Der Leiter des Klosters blickte seinen Finanzverwalter fragend an; der antwortete, ohne zu zögern: „Nein, wir haben keine Verbindungen zu Banken – wozu auch? Wir besitzen keine Reichtümer. Was wir brauchen, erhalten wir als Spenden. Oder wir bauen es selbst in unserem Klostergarten an. Außerdem bekommen wir etwas ab von den Erlösen der Touristenrundfahrten auf dem See."
„Silvio Bertones Großvater hat Ihrem Klosterchef nach dem ersten Weltkrieg immerhin das Leben gerettet: in den Jahren
1918 bis 1922, als Italien unser schönes Dalmatien besetzt hatte."
„Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber Ihre Informationen treffen nicht zu", meinte der Guardian.
„Ich kenne die Aufzeichnungen unseres Klosters doch recht gut. Daraus geht hervor, dass unser damaliger Guardian zwischen unserem Kloster hier und der Provinzverwaltung, beziehungsweise dem Kabinett unseres Generalministers in Rom, pendelte. Und soweit es die Chronik beschreibt, war er als Gottesmann weder hier noch in Rom in Lebensgefahr. Es sei denn", der Redner machte eine Pause und schaute listig zu seinen Begleitern, „es sei denn, die Köche beim Vatikan hätten ihm mit ihren Rezepten den Magen verdorben."
Der Ordensobere lachte. „Wer unsere Küche und unseren Wein gewohnt ist, der wird andere Speisen leicht als Gift empfinden."
Er machte eine einladende Handbewegung: „Dürfen wir Sie überzeugen? Dürfen wir Sie zu einem zwar kargen, aber wohlschmeckenden Mahl einladen?"
Stefanie verschlug es die Sprache. Stumm schüttelte sie den Kopf. Nur leise, damit es die Franziskaner nicht hören konnten, meinte sie zu ihrem Begleiter: „Mein Hunger ist vergangen."
Daniel dankte den Mönchen und folgte Stefanie, die geradezu aus dem ehrwürdigen Kloster floh, hinaus in das gleißende Licht der Sonne.
„Silvio hat gelogen, gelogen, gelogen! Wie kann ein Mensch nur so verlogen sein?"
„Lass uns zu den zuständigen Behörden von Sibenik fahren. Dann haben wir Gewissheit. Und vielleicht erfahren wir doch noch etwas, das uns weiterhilft."
Vom Turm der Kirche der Heiligen Mutter Gottes luden die drei Glocken zur Sext, dem mittäglichen Gebet - ein Brauch, den Franz von Assisi 1219 quasi als Souvenir von einem Kreuz zug in Ägypten mitgebracht hatte. Der Ordensgründer hatte ein Kreuzfahrerheer begleitet und mit Bewunderung verfolgt, wie die Muslime zum Gebet gerufen wurden. Nach diesem Vorbild wurden bald auch die Christen weltweit von den Türmen ihrer Kirchen an die bevorstehende Andacht erinnert.
Stefanie hörte die Glocken von Visovac, aber sie schafften es nicht, die Schritte der jungen Frau in das Gotteshaus zu lenken. Das Geläut erklang für sie wie aus weiter Ferne. Es konnte ihre Gedanken nicht durchdringen, die von Zorn, Verbitterung und endloser Enttäuschung aufgewühlt waren.
Als Stefanie und Daniel den Anlegesteg erreichten, sahen sie nur noch die Konturen des davonschwimmenden Ausflugsbootes. Sie hatten es knapp verpasst.
Der Franziskaner, den sie auf der Anreise kennengelernt hatten, erkannte ihre Enttäuschung. „Ich kann Sie zum Festland rudern. Dort drüben steht ein Taxi, das Sie zurück nach Skradin bringen kann: schneller als das nächste Ausflugsboot. Das kommt erst in zwei Stunden."
Sie bestiegen sein kleines hölzernes Ruderboot. Während der Mönch sie über setzte, versuchte er, mit Stefanie und Daniel ins Gespräch zu kommen. Als seine Ansätze ohne Widerhall blieben, schlug er vor: „Genießen Sie den letzten Anblick hier auf dem Visovacko-See – unserem kleinen Paradies auf Erden. Gott möge es auf ewig so erhalten. Wir sind gleich da."
Fast fluchtartig und ohne einen Blick zurück kletterten sie aus dem wackeligen Ruderboot.
Hinter ihnen blieb zurück das Bilderbuch der Lüge.
49. Die Voyeure mit den Kameras
Schockiert erreichten sie eine Stunde später die mittelalterliche Stadt Sibenik an der Einmündung des Flusses Krka in die Adria – eine Stadt, die
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