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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Schrifliches zu ändern. Und Sie haben ja ein Jahr Zeit. Da kann viel passieren.«
      »Hoffentlich.«
      »Strenge Diskretion natürlich, nicht wahr? Unser aller Interesse. Höchstens mal eine seriöse Empfehlung. Sie kennen ja den Weg. Alsdann, guten Abend.«
      »Guten Abend.«
      »Strszecz miecze«, sagte der Schweiger.
      »Er spricht nicht deutsch«, grinste der Redner auf einen Blick Steiners. »Hat aber eine wunderbare Hand für Stempel. Streng seriös natürlich.«
    Steiner ging zum Bahnhof. Er hatte seinen Rucksack dort in der Gepäckaufewahrung gelassen. Am Abend vorher war er aus der Pension ausgezogen. Die Nacht hatte er auf einer Bank in den Anlagen geschlafen. Morgens hatte er sich in der Bahnhofoilette den Schnurrbart abrasiert und dann die Fotografie machen lassen. Eine wilde Genugtuung erfüllte ihn. Er war jetzt der Arbeiter Johann Huber aus Graz.
      Unterwegs blieb er stehen. Er hatte noch etwas zu regeln aus der Zeit, als er Steiner hieß. Er ging zu einem Telefonautomaten und suchte im Telefonbuch eine Nummer. »Leopold Schäfer«, murmelte er, »Trautenaugasse siebenundzwanzig.« Der Name hatte sich ins Gedächtnis eingebrannt.
      Er fand die Nummer und rief an. Eine Frau meldete sich. »Ist der Wachmann Schäfer zu Hause?« fragte er.
      »Ja, ich will ihn gleich rufen.«
      »Das ist nicht nötig«, erwiderte Steiner rasch. »Hier ist die Polizeidirektion Elisabethpromenade. Um zwölf Uhr ist eine Razzia. Der Wachmann Schäfer hat sich um dreiviertel zwölf hier zu melden. Haben Sie verstanden?«
      »Ja. Um dreiviertel zwölf.« – »Gut.« Steiner hängte ab.
      Die Trautenaugasse war eine schmale, stille Straße, mit kahlen Kleinbürgerhäusern. Steiner sah sich Haus Nummer siebenundzwanzig genau an. Es unterschied sich in nichts von den andern; aber es erschien ihm besonders widerwärtig. Dann ging er ein Stück zurück und wartete.
      Der Wachmann Schäfer kam eilig und wichtig aus dem Haus gepoltert. Steiner ging ihm so entgegen, daß er ihm an einer dunklen Stelle begegnete. Dort rempelte er ihn mit einem mächtigen Schulterstoß an.
      Schäfer taumelte. »Sind Sie besoffen, Mensch?« brüllte er. »Sehen Sie nicht, daß Sie einen Beamten im Dienst vor sich haben?«
      »Nein«, erwiderte Steiner. »Ich sehe nur einen jämmerlichen Hurensohn! Einen Hurensohn, verstehst du?«
      Schäfer war einen Moment sprachlos. »Mensch«, sagte er dann leise. »Sie müssen verrückt sein! Das werden Sie mir büßen! Los, mit zur Wache!«
      Er versuchte, seinen Revolver zu ziehen. Steiner trat mit dem Fuß gegen seinen Arm, trat blitzschnell heran und tat das Entehrendste, was es für einen Mann gibt; er schlug Schäfer mit der flachen Hand links und rechts ins Gesicht.
      Der Wachmann röchelte und sprang auf ihn los. Steiner wich zur Seite und landete einen linken Schwinger auf Schäfers Nase, die sofort blutete. »Hurensohn!« knurrte er. »Jammervoller Scheißer! Feiges Aas!«
      Er zerschlug ihm mit einem trockenen Geraden die Lippen und fühlte die Zähne unter seinen Knöcheln knacken. Schäfer taumelte. »Hilfe!« schrie er dann mit einer fetten, hohen Stimme.
      »Halt’s Maul!« knurrte Steiner und setzte einen scharfen Rechten aufs Kinn und gleich darauf die kurz geschlagene Linke genau auf den Solarplexus. Schäfer gab einen froschähnlichen Laut von sich und stürzte wie eine Säule zu Boden.
      Ein paar Fenster wurden hell. »Was ist denn da schon wieder los?« schrie eine Stimme.
      »Nichts«, erwiderte Steiner aus dem Dunkel. »Nur ein Besoffener!«
      »Der Teufel soll die Saufrüder holen!« rief die Stimme ärgerlich. »Bringen Sie ihn doch zur Polizei!«
      »Da soll er gerade hin!«
      »Hauen Sie ihm vorher noch ein paar in das versoffene Maul!«
      Das Fenster klappte zu. Steiner grinste und verschwand um die nächste Ecke. Er war sicher, daß Schäfer ihn mit seinem veränderten Gesicht im Dunkel nicht erkannt hatte. Er kreuzte noch ein paar Straßenecken, bis er in eine belebte Gegend kam. Dann ging er langsamer.
      Wunderbar und gleichzeitig zum Kotzen, dachte er. So ein bißchen lächerliche Rache! Aber es wiegt Jahre der Flucht und Geducktheit auf! Man muß die Gelegenheit nehmen, wie sie kommt! Er blieb unter einer Laterne stehen und holte seinen Paß heraus. Johann Huber! Arbeiter! Du bist tot und verfaulst irgendwo in der Erde von Graz – aber dein Paß lebt und ist gültig für die Behörden. Ich, Josef

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