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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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»Hör zu«, sagte er. »Wo gehst du jetzt hin?«
      »Nach Hause.«
      »Du brauchst doch nicht gleich …« Er atmete stärker. »Es ist natürlich alles abgemacht, nicht wahr? Das bleibt dann so! Aber du könntest doch … wir könnten … gerade heute abend ist keiner bei mir zu Hause, verstehst du, und wir würden nicht gesehen.« Er faßte nach ihrem Arm. »Wir brauchen uns ja nicht gerade so zu trennen, so formell meine ich, wir könnten doch noch einmal …«
      »Geh!« sagte sie. »Sofort!«
      »Aber sei doch vernünfig, Ruth.« Er nahm sie um die Schulter.
      Sie sah das hübsche Gesicht, das sie geliebt und dem sie gedankenlos vertraut hatte. Dann schlug sie hinein. »Geh!« schrie sie, während ihr die Tränen herunterstürzten. »Geh!«
      Billing zuckte zurück. »Was? Schlagen? Mich schlagen? Du dreckige Judensau willst mich schlagen?«
      Er machte Miene, sich auf sie zu stürzen.
      »Geh!« schrie sie gellend.
      Er sah sich um. »Halt den Mund!« zischte er. »Willst mir wohl noch Leute auf den Hals hetzen, was? Könnte dir so passen! Ich gehe, jawohl, ich gehe! Gott sei Dank, daß ich dich los bin!«
      »Quand l’amour meurt«, sang die Frau auf der Leinwand mit ihrer dunklen Stimme durch den Lärm und Rauch des marokkanischen Cafés. Ruth Holland strich sich über die Stirn.
      Das andere war wenig dagegen. Die Angst der Verwandten, bei denen sie wohnte – das Drängen des Onkels, abzureisen, damit er nicht hineingezogen würde – der anonyme Brief, in dem ihr mitgeteilt wurde, wenn sie nicht in drei Tagen verschwunden sei, werde man sie auf einem Wagen, mit Schildern auf Brust und Rücken und abgeschnittenem Haar als Rassenschänderin durch die Stadt führen – der Besuch am Grabe ihrer Mutter – der nasse Morgen vor dem Kriegerdenkmal, von dem man den Namen ihres Vaters, der 96 in Flandern gefallen war, abgekratzt hatte, weil er Jude war – und dann die hastige, einsame Fahrt mit den paar Schmuckstücken ihrer Mutter über die Grenze nach Prag …
      Die Flöten und Tamburine setzten auf der Leinwand wieder ein. Darüber hinweg wehte der Marsch der Fremdenlegionäre -die eiligen, erregenden Rufe der Clairons über den Kompanien der in die Wüste ziehenden Kämpfer ohne Heimat und Vaterland.
      Kern beugte sich zu Ruth Holland hinüber. »Gefällt es Ihnen?«
      »Ja …«
      Er griff in die Tasche und schob ihr eine kleine flache Flasche hinüber. »Eau de Cologne«, flüsterte er. »Es ist heiß hier. Vielleicht erfrischt es Sie etwas.«
      »Danke.«
      Sie schüttelte ein paar Tropfen auf ihre Hand. Kern sah nicht, daß sie plötzlich Tränen in den Augen hatte.
      »Danke«, sagte sie noch einmal.

    STEINER SASS ZUM zweitenmal im Café Hellebarde. Er schob dem Kellner einen Fünfschillingschein hin und bestellte einen Kaffee.
    »Telefonieren?« fragte der Kellner.
      Steiner nickte. Er hatte noch einige Male mit wechselndem Glück in anderen Lokalen gespielt und besaß jetzt etwa fünfhundert Schilling.
      Der Kellner legte ihm einen Pack Journale hin und ging. Steiner griff nach einer Zeitung und begann zu lesen. Aber er legte sie bald wieder beiseite; es interessierte ihn wenig,“ was in der Welt los war. Für jemand, der unter Wasser schwamm, gab es nur eins: wieder hochzukommen … es war ihm gleich, was die Fische für Farben hatten.
      Der Kellner brachte den Kaffee und stellte ein Glas Wasser dazu. »Die Herren kommen in einer Stunde.«
      Er blieb am Tisch stehen. »Schönes Wetter heute, was?« fragte er nach einiger Zeit.
      Steiner nickte und starrte auf die Wand, an der eine Aufforderung hing, durch Malzbiertrinken das Leben zu verlängern.
      Der Kellner schlurfe hinter die Teke zurück. Nach einiger Zeit brachte er auf einem Tablett ein zweites Glas Wasser heran.
      »Bringen Sie mir lieber einen Kirsch«, sagte Steiner.
      »Gut. Sofort.«
      »Trinken Sie auch einen mit.«
      Der Kellner verbeugte sich. »Danke, mein Herr. Sie haben Verständnis für unsereins. Das findet man selten.«
      »Ach wo!« erwiderte Steiner. »Ich langweile mich nur, das ist alles.«
      »Ich habe Leute gekannt, die sind schon auf schlechtere Ideen gekommen, wenn sie sich gelangweilt haben«, sagte der Kellner.
      Er trank und kratzte sich die Gurgel. »Mein Herr«, sagte er dann vertraulich, »ich weiß doch, worum es sich bei Ihnen handelt – wenn ich Ihnen einen Rat geben dürfe, würde ich Ihnen den toten

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