Liebe Dich Selbst Und Es Ist Egal, Wen Du Heiratest
anfühlen, als würden zwischen beiden die Sehnen zerreißen wie einem Ungeübten beim Spagat? Ich behaupte, dass die meisten Menschen in langfristigen Beziehungen sich immer wieder in solchen mehr oder minder starken seelischen Zerreißproben befinden. Wir haben ein Bild von unserem Leben, die Menschen in unserem Umfeld geben uns die Rahmenbedingungen für dieses Bild vor- und alles, was nicht in diesen Rahmen hineinpasst, verstecken wir vor uns selbst, unseren Partnern und unseren Freunden. Unser Bedürfnis nach Zusammengehörigkeit und Verbundenheit mit anderen ist so groß, dass wir unbewusst bereit sind, sogar unser Leben dafür zu opfern. So nahm meine Freundin lieber in Kauf, innerlich zu ersterben und sich mit Selbstmordgedanken zu quälen, als ihre Familie und ihre Umwelt mit ihren tatsächlichen Bedürfnissen zu konfrontieren.
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Lügen für die Liebe
Manchmal ist es ganz banal: Wir haben keine Lust, mit unserer Nachbarin zu telefonieren, und behaupten einfach, wir m üs s t en jetzt die Kinder zum Turnen fahren. Manchmal wiegt es schwerer: Wir bauen Häuser, fahren Autos, laden Leute ein, die wichtig für unser Ansehen oder unsere Karriere sind, die uns aber nicht wirklich erfüllen. Manchmal wird Geld verdienen, derentwegen wir aber kaum noch schlafen können. Manchmal raubt es uns die Seele: Wir schlafen nur noch aus Pflicht mit unserem Partner und fühlen uns danach nur leer und benutzt.
Das Schlimme ist nicht, dass wir das alles tun - das ist menschlich. Das Tragische ist, dass wir versuchen, die Angst, die dahinter liegt, vor uns und vor anderen zu verbergen. Dass wir das alles nur deshalb tun, um in der Verbindung bleiben zu können, um weiter geliebt, um nicht verlassen zu werden. Dabei erreichen wir aber genau das Gegenteil. Da wir aus Angst, für unsere Wahrheit nicht geliebt zu werden, nur etwas Falsches geben, bekommen wir auch nur etwas falsches zurück. Mit jeder Rolle, mit jeder freundlichen Täuschung manifestieren wir unser Elend nur noch mehr. Wir zeigen nicht, wie wir uns fühlen, wir sagen nicht, was wir denken. Da es in uns und in unserem Leben scheinbar etwas gibt, das nicht akzeptabel ist, sorgen wir höchstpersönlich dafür, dass aus unserem Leben eine Lüge wird, die manchmal so unerträglich werden kann, dass wir uns nur noch das Leben nehmen wollen.
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Das Leben und die Ehe meiner Freundin entsprachen damals ihrem Bild, aber nicht ihrem Herzen. Unser Bild kommt immer von außen, von unseren Familien, unseren Prägungen, unseren Defiziten und der Gesellschaft. Unser Herz kennt unsere eigentlichen Bedürfnisse. Meine Freundin hätte damals vieles loslassen müssen, Kontrolle abgeben, Grenzen ziehen, Hilflosigkeit und Schwächen zeigen ... Sie hätte mit ihrem Mann und ihrer Umwelt in einen echten, kompromisslosen Dialog über ihr Herz und ihr wahres Wesen eintreten müssen. Sie hätte die Nacht, die sie mit mir geteilt hat, zu ihrem Tag machen müssen.
Dieser Prozess ist am Anfang nie angenehm. Wenn wir uns trauen, ihn einzuleiten, indem wir aus unserem angepasst freundlichen Versteck heraustreten, ist es meist wie eine Überschwemmung, die über unser Leben schwappt und alles mit sich reißt. Meistens hält sie sich weder an den richtigen Zeitpunkt, noch nimmt sie Rücksicht auf die äußeren Umstände.
Vor dem Anfang kommt das Ende
So war es auch mit der Überschwemmung in meinem Leben: Mein Mann feierte einen großen Geburtstag. Dieses Fest war ihm wichtig.
Ein echtes Wiedersehen sollte es werden: Von überall her hatte er Freunde eingeladen. Während er noch beruflich unterwegs war, stand ich in der Küche bei den Vorbereitungen und hatte das Gefühl zu ersticken. Alles sollte zu diesem Anlass besonders schön, besonders lecker, besonders
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fröhlich werden, doch das führte letztendlich dazu, dass mir durch diesen erhöhten Anspruch meine eigene missliche Lage noch misslicher erschien. Wieder war er nicht da, wie so oft in den letzten Monaten. Wieder war ich mit allem, was unser Privatleben anging alleine. Wieder sollte ich bei seinen Freunden funktionieren» dabei ahnte doch keiner von ihnen, »wie es mir wirklich ging- Schön sollte ich sein und die perfekte Gastgeberin, dabei fühlte ich mich grässlich und wäre am liebsten weggelaufen-Ich stellte die Häppchen zurecht, zündete die Kerzen an, räumte Getränke hin und her und quetschte mich in mein Kleid, den Tränen nahe. Kurz bevor mein Mann und die Gäste kamen, stieg in mir von Minute zu Minute eine
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