Liebe die bleibt
Augustin aufgewühlt.
Ich nickte eindringlich. „Ja, klar kann ich das!“
„Dann freue ich mich riesig auf morgen. Mein Gott, wie lange habe ich keine selbstgebackenen Weihnachtsplätzchen gegessen“, freute er sich, während er begeistert in die Hände klatschte und mich umarmte. In diesen Augenblick erinnerte mich Augustin an einen kleinen Jungen, der seine Lieblingstante umarmt. Zum Abschied küsste er mich links und rechts auf die Wange, danach nahm er meine Hände, rieb sie in den seinen, küsste auch diese, bevor er tänzelnd davonstiefelte.
Warum hat er mich nicht auf den Mund geküsst? sinnierte ich noch, während ich verfolgte, wie sich Augustin kurz nach unten beugte, einen Schneeball in seinen Händen formte und auf mich zielte. Ich lächelte entzückt, vergaß auszuweichen. Volltreffer! Das Ding erwischte mich direkt im Gesicht.
„Bis morgen Leila! Ich freue mich auf die Weihnachtsplätzchen! Lass sie nicht anbrennen!“, rief er mir lachend zu und verschwand in der Dunkelheit.
„ Bis Morgen!“, murmelte ich angeschlagen, wobei ich mir keuchend den Schnee aus dem Gesicht wischte.
In jener Nacht brauchte ich weder eine Schlaftablette noch musste ich ganze Schafherden abzählen. Ich schlief sofort ein. Selig und entspannt, wie ich es schon lange nicht mehr getan hatte.
Entsprechend ausgeruht, erwachte ich am nächsten Morgen. Wohlig lächelnd räkelte ich mich in den Federn, streckte meine Glieder und gähnte lauthals, bevor ich aus dem Bett hüpfte und zum Fenster hinaussah. Es schneite. Der Sockel meines Balkons war mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Das Vogelhäuschen wurde von zwei Rotkehlchen belagert, die meine Anwesenheit wahrnahmen, mich mit ihren dunklen Knopfaugen im Blick behielten und ungeduldig ihr Futter aufpickten.
„ Bringt ihr mir Glück?“, flüsterte ich vor mich hin, wobei ich verträumt die Schneeflocken bestaunte, die sich sanft auf das Vogelhäuschen legten. Im Mittelalter wurden Rotkehlchen als Glücksbringer verehrt. Ich öffnete ganz leise das Fenster, holte tief Luft und lauschte der Schneestille, die mich beinahe hypnotisch dahindämmern ließ. Ich liebe diese Stille, die man körperlich spüren kann. Den Schnee, der alles zudeckt, die lauten Worte und Geräusche verschluckt, einem innere Ruhe verleiht und sogar die inneren Stimmen verstummen lässt, die oft viel zu laut reden, schreien und widersprechen.
Das ist ein Foto wert, dachte ich und nahm meinen Fotoapparat zur Hand. Ich schoss ein paar Bilder. Nur mühsam konnte ich mich aus diesem Idyll lösen, meine innere Stimme rebellierte und mahnte mich zum Handeln. Ein prüfender Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass ich früh genug aufgestanden war. Es war 8.00 Uhr. Ich hatte also noch acht Stunden Zeit, bis mich Augustin besuchte.
Als erstes lief ich zum Bäcker und kaufte mir frische Semmeln und meine Lieblingsmarmelade. Anschließend gönnte ich mir ein ausgiebiges Frühstück, mit einem gekochtem Ei, Orangensaft und zwei Tassen Kaffee.
Wie lange ist es her, als ich das letzte Mal so schön gefrühstückt habe , überlegte ich, während ich schmunzelnd vor mich hin mampfte und mich gedanklich schon mal mit der künstlerischen Gestaltung meiner Weihnachtsplätzchen auseinandersetzte. Ich werde das schönste Weihnachtsgebäck backen, nahm ich mir vor. Flink schrieb ich mir einen Einkaufszettel für alle Zutaten und kramte die alten Backrezepte meiner Mutter hervor. Anschließend marschierte ich gutgelaunt in den Supermarkt, um die Zutaten zu kaufen. Am Eingang des Ladens hielt ich kurz inne und betrachtete mir die kleinen Weihnachtsbäume, die als Sonderangebot zum Kauf feilgeboten wurden. Nichts Besonderes, gerade mal dreißig Zentimeter hoch, aber zum halben Preis, einschließlich Kübel.
D en könnte ich mir auf meinen Balkon stellen, ein zeitlose Pflanze, so dachte ich.
Wie fremdbestimmt packte ich das Bäumchen in den Einkaufswagen. Außer meinen Backzutaten kaufte ich noch Rotwein, eine Weihnachtsgans – weil Geflügel ja so gesund sein soll – und ein reduziertes Kerzensortiment, das kann man ja schließlich immer gebrauchen, falls mal der Strom ausfällt, weil die Stadtwerke streiken.
Wieder zu Hause angekommen, begab ich mich sogleich an die Arbeit. Ich schaltete das Radio an, band mir eine Schürze um, heizte den Backofen vor und studierte die Rezepturen. Ich entschied mich für Vanillekipferl, Zimtsterne, zarte Mandelherzen, Liebestaler und Butterplätzchen. Während ich
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