Liebe die bleibt
mich hin, während mein Herz hämmert wie ein Schmiedehammer.
Eine geschlagene Stunde sitze ich wie zusammengekehrt auf den kalten Boden und stiere die Wand an, mache mir Vorwürfe, dass ich über den Liebesdingen meine Geschäfte aus den Augen verloren habe. Mir fällt ein, dass in zwei Tagen die nächste Miete fällig ist und ich heute eigentlich meinen wöchentlichen Einkauf erledigen wollte, und immer wieder stelle ich mir die Frage, ob ich nicht an allem selbst Schuld bin. Wenn ich einen Sonnenscheinartikel geschrieben hätte dann - vielleicht, oder doch nicht? Habe ich mich selbst in die Nesseln gesetzt, mein eigenes Grab geschaufelt oder haben die nur einen Grund gesucht, um mich loszuwerden? Sinkende Umsätze, rückläufige Auflage? Auf mein letztes Honorar musste ich das letzte Mal verdammt lange warten. Waren das nicht schon die Vorzeichen? Und warum habe ich das nicht erkannt? Wie konnte ich nur so naiv sein, zu glauben, dass alles wie gewohnt seinen Gang läuft, die Tatsachen ignorieren, dass das Internet dem Print-Markt seine Anteile abgräbt. Habe ich das nicht selbst gewusst? Ja, habe ich, aber nicht daran geglaubt, dass ausgerechnet ich darunter leiden könnte. Es trifft schließlich immer die anderen. Wie naiv von mir. Aber diese Einsicht hilft mir nun auch nicht weiter. Ich muss was tun. Ob ich beim Verlag anrufen soll, ein neues Thema anbieten? Zu schlechteren Konditionen weiterarbeiten? Vielleicht den Artikel umschreiben, damit den Partnerbörsen „ein gutes Werbeumfeld“ für ihre Anzeigen geboten wird statt einer bösen Abrechnung mit den notgeilen Nutzern ihrer Vermittlungsplattformen? Ich tippe die Durchwahl der CvD, ich höre das Freizeichen, dann lege ich wieder auf. Mein innerer Schweinhund hat Einwände:
Das bringt doch nichts! Mach dich nicht zum Affen! Hast du keinen Stolz ! Die wird sich eh verleugnen lassen!
Unmut macht sich in mir breit, nicht gerade das, was ich jetzt gebrauchen kann. Ich öffne den Kühlschrank, sehe die angebrochene Rotweinflasche. Es ist nur noch ein Schluck drin, ein großer. Vielleicht hilft mir der weiter, denke ich und trinke die Flasche in einem Zug leer. Dann wähle ich wieder die Nummer der Redaktion, höre das Freizeichen, versuche gleichmäßig zu atmen, übe, zu lächeln, dann höre ich die freundliche Stimme von Frau Jansen, der Vorzimmerdame, die sich heutzutage Redaktionsassistentin nennt.
„…oh, das tut mir leid, Frau Jacobi ist nicht im Haus… aber Sie haben doch Post von uns erhalten…“ , fragt sie scheinheilig.
„Habe ich … vielen Dank, dass Sie mir geschrieben haben“, erwidere ich höflich. „Aber aus der Notiz im Anschreiben ist herauszulesen, dass der Artikel umgeschrieben werden müsste, und genau das wollte ich vorschlagen…“
„ Notiz? – Nein, das haben Sie missverstanden, Frau Blumenthal. Wir sind an einer Überarbeitung nicht interessiert, der Verlag musste seine Aufträge an freie Mitarbeiter insgesamt verschlanken, aber das hat doch alles in dem Brief gestanden…“
„Ja, entschuldigen Sie… entschuldigen Sie die Störung… es kam nur so plötzlich… ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll.“
Frau Jansen schnaubt vernehmlich, was mir mit der Portion Rotwein auf nüchternem Magen aber einigermaßen wurst ist: „Ach wissen Sie, Frau Blumenthal, vielleicht können Sie Ihre Erfahrungen mit Partnerschaftsbörsen ja ans Fernsehen verkaufen. Diese ganzen Verbraucherschutzsendungen haben doch jetzt gerade ziemlich Konjunktur. Da können Sie doch die Kronzeugin spielen…“
Jetzt schnaube ich auf. Bildet sie sich wirklich ein, mir würde ein Wechsel von der bezahlten Autorin ins Lager der unbezahlten, kamerageilen Informantinnen der TV-Produktionsfirmen weiterhelfen?
„Das ist nicht ihr Ernst?“, mehr bleibt mir nicht von meinem Aufschnauben.
„Nein, nur ein Vorschlag… entschuldigen Sie mich jetzt bitte, ich muss weiter arbeiten…“
„Noch ein paar Kündigungen schreiben?“ , rutscht es aus mir raus.
F rau Jansen bleibt mir eine Antwort schuldig und legt auf.
Ich bleibe noch eine Weile sitzen und denke über Frau Jansens Vorschlag nach. Mich bei anderen Medien anzudienen, darauf wäre ich noch selbst gekommen.
Mein Magen knurrt, ich habe Hunger, muss einkaufen, ein Gedanke, der mich dazu bewegt, meinen Kontostand zu checken. Ich logge mich mit dem Laptop bei meiner Bank ein. Ich bin nervös, vertippe mich mehrmals, muss daran denken, wie viel Geld ich sinnlos für die Mitgliedschaft
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