Liebe die bleibt
bei den Online-Partnerbörsen verbraten habe. Es sind genau 450 Euro. Geld, was mir jetzt fehlt. Ernüchtert starre ich auf den Bildschirm, auf mein mickriges Guthaben. Ich bin noch mit 1400 Euro im Haben, aber nicht mehr lange. Nach Abzug von Miete, Strom, Telefon, Rundfunkgebühren und meinen überfälligen Einkauf, bleiben mir noch 350 Euro übrig. Ich bin pleite. Was soll ich jetzt tun? Mein Konto überziehen, mich noch tiefer reinreiten? Mir zittern die Hände, mein Magen fühlt sich wie ein festgezurrter Knoten an. Die Angst kriecht mir in den Nacken. Existenzangst, die bleibt einem als freie Autorin ja nie ganz unbekannt. Aber jetzt spüre ich sie zum ersten Mal, als hielte ich mein pochendes Herz in der Hand, als stünde ich völlig neben mir. Ob das daran liegt, dass ich mich vor kurzem noch so glücklich, so aufgehoben fühlte? Ich überlege, ob ich etwas zu verkaufen habe, aber außer dem Schmuck von meinen Eltern besitze ich nichts Wertvolles. Ich muss wohl oder übel, lieber früher als später zum Sozialamt. Sozialhilfe, anders ausgedrückt, „Harz IV“ beantragen. Dann muss ich vermutlich auch aus meiner Wohnung ausziehen, weil die zu groß für eine Person ist. Wo lande ich dann – in München, in dieser Blenderstadt, in der es keine erschwinglichen Wohnungen mehr gibt? Im Obdachlosenasyl? Wie weit bin ich gesunken? Wenn das Augustin wüsste. Der hat mich stets um meine Tätigkeit beneidet, und ich habe auch manchmal damit angegeben, wie viel ich mit meinem Geschreibsel für die Redaktion und die Versicherung verdiene, dabei aber verschwiegen, dass es manchmal nicht einfach war. Immer wieder neue Themen zu finden, Leute ausfindig zu machen, vertröstet oder gar versetzt zu werden. Die Jagd nach einem neuen Thema kostete Nerven, oft auch schlaflose Nächte. Es ist ja irgendwie über alles schon mal alles geschrieben worden. Als das noch in den Druck ging, fiel das den Lesern nicht so auf. Seit es das Internet gibt, reicht es nicht mehr, einen klugen Gedanken zu haben, ein interessantes Thema – man muss auch schwer aufpassen, dass es noch nicht online „verbrannt“ ist. Manchmal fühlte ich mich ausgebrannt, lustlos, und manchmal habe ich mich danach gesehnt, etwas ganz Simples zu tun. So wie früher, als ich noch ausschließlich als PR-Texterin in einer Agentur gearbeitet habe. Da habe ich nicht viel verdient, manchmal hatte ich auch keine Arbeit und man hat mich nach Hause geschickt. Aber das habe ich Augustin verschwiegen, von ihm beneidet zu werden, war mir wichtiger.
Ich nehme mir vor, gleich morgen bei meinem früheren Arbeitgeber anzurufen, und mich auch bei anderen Agenturen zu bewerben. Aber als erstes werde ich versuchen, mein Partnerbörsen-Thema bei anderen Publikationen unterzubringen. Vielleicht habe ich Glück? Sagt man nicht immer, dass alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird?
In meinem Fall leider nicht.
Ein Anruf bei der Agentur, die meine Texte für die PR einer Versicherung bestellt, zwar unregelmäßig, aber dann doch gut bezahlt, ließ anklingen, dass auch bei ihnen derzeit der Rotstift angesetzt werde – nicht vom hausinternen Lektorat, sondern vom Controller der Versicherung, der mehr Leistung für weniger Geld abverlangte. Man würde bei Bedarf wieder auf mich zukommen. Meine alte Agentur gab es gar nicht mehr, bei anderen schien der Controller schon vorbeigekommen zu sein. Hätte es Controlling schon im Mittelalter gegeben, diese Zunft hätte wohl neben dem Taschenrechner die Sense von Gevatter Tod im Wappen geführt. Das Thema „Partnerbörsen“ kam bei anderen Medien auch nicht wirklich an, den Text großartig umzuschreiben – die ganze Lage bedrückte mich so, dass ich mich dazu irgendwie nicht überwinden konnte.
Nun stehe ich hinter der Theke eines Geschäfts das Goldschmuck ankauft. Ich habe den Schmuck meiner Eltern vor dem Inhaber ausgebreitet und verfolge misstrauisch, wie er mit einer Lupe den Schmuck prüft. Ich versuche, seine Miene zu entschlüsseln. Aber außer zusammengekniffenen Augen kann ich nichts erkennen. Ich kenne mich mit Schmuck nicht aus, weiß nicht mal, ob die beiden Armbanduhren aus echtem Gold sind, die Armbänder, Ketten und Ringe überhaupt einen Wert besitzen, aber das sage ich natürlich nicht. Ich vertraue auf den guten Ruf des Geschäfts, das ich mir im Internet herausgesucht habe.
Erst als der Goldhändler die Schmuckstücke in eine Waagschale legt, keimt Hoffnung in mir auf.
„Der Goldpreis ist
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