Liebe, die der Teufel schenkt
hinausschieben.
Nach langer Zeit schien in London zum erstenmal wieder die Sonne. Trotzdem lief ein Frösteln über Glendas Haut, als sie auf die Leichenhalle zuschritt. Sie wollte nicht dorthin, wo die Beerdigungen ihren Anfang nahmen, sondern zu den Räumen, in denen man die Toten aufbewahrte.
Das war sie ihrer alten Schulfreundin einfach schuldig. Es war wie ein Schock gewesen, als Glenda vom Tod der Frau erfuhr. In einer Zeitungsanzeige hatte sie es gelesen. Durch ein Unglück war Helen ums Leben gekommen. Mehr stand nicht dabei.
Glenda hatte telefoniert und versucht, Verwandte aufzutreiben. Es war ihr nicht gelungen, aber sie wollte etwas für die Freundin tun und ihr die eine letzte Ehre erweisen. Deshalb war sie zum Friedhof gegangen. Zudem arbeitete sie bei Scotland Yard. Und als Mitarbeiterin einer der größten Polizeiorganisationen der Welt war es ihr praktisch eingegeben, misstrauisch zu sein.
Wenn ein Mensch eines unnatürlichen Todes starb, blieb immer ein Rest Misstrauen zurück. So auch bei Glenda Perkins. Sie war sicher, dass da etwas nicht stimmte, denn unter dem Begriff Unglücksfall konnte sich vieles verbergen, und man konnte auch einiges vertuschen. Jeder Killer, der von der Polizei erschossen wurde, war ein Unglücksfall, und Glenda dachte zudem an ihre zahlreichen bösen Erfahrungen, die sie im Laufe der Zeit gesammelt hatte.
Durch den Haupteingang brauchte sie nicht zu gehen, sondern wandte sich nach links, wo auch einer der zahlreichen Nebeneingänge lag. Eine Treppe führte zur Tür hoch.
Ein Mann fegte die Stufen. Als er Glenda kommen sah, hob er den Kopf, und die junge Frau erschrak, denn der Mann wirkte so wie ein lebender Toter aus den zahlreichen Zombiefilmen. Vielleicht lag es auch an seiner schwarzen Kleidung, dass die Haut so bleich schimmerte. Zudem hatte Glenda das Gefühl, als wäre sein Gesicht aufgedunsen, und sogar die Augen sahen blass aus.
Starr schaute er sie an. »Wo wollen Sie hin?« fragte er.
»Ich möchte jemand sehen.«
»Wen?«
Glenda sagte den Namen der Freundin. Der »Zombie« schaute auf seine Uhr und wiegte den Kopf »Haben Sie Glück gehabt. Bald wäre Schluss gewesen.«
»Ich weiß.«
Der Mann stellte seinen Besen zur Seite. Durch eine Kopfbewegung tat er Glenda kund, ihm zu folgen. Die Tür war durch einen Keil festgeklemmt worden, er brauchte sie nicht erst zu öffnen und führte die dunkelhaarige Frau in den langen Flur hinein, wo er sich sofort nach links wandte und eine schräg gegenüberliegende Tür ansteuerte, hinter der die Tote aufbewahrt lag.
»Ist nur eine drin«, sagte der Kerl. »Soll ich mitkommen?«
Glenda hatte das Gefühl, als hätte die Stimme einen lauernden Klang angenommen, zudem glitten die Blicke des Kerls begehrlich über ihren Körper, und sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke, ich werde schon allein zurechtkommen.«
»Wie Sie wollen.« Der Typ grinste breit, drehte ab und ging. Seine Schritte hallten auf dem Steinboden. Die Echos wurden von den Wänden zurückgeworfen. Glenda wartete, bis der Mann nicht mehr zu sehen war, dann wandte sich die Frau der Tür zu.
Sie fröstelte. Ein unheimliches Gefühl beschlich sie, als sie vor der braun lackierten Tür stehen blieb.
Hinter ihr sollte Helen also tot liegen. Sie konnte es einfach nicht fassen. Glenda spürte den Schweiß auf ihren Handflächen. Die Ruhe in diesem Teil der Leichenhalle machte sie nervös. Sie vermisste die menschlichen Stimmen. Sie hätte gern etwas gehört, auch ein Schluchzen oder Weinen. So aber kam sie sich verlassen vor.
Die Klinke ließ sich leicht bewegen. Ein kurzer Druck nur, sie war unten, und ein weiterer Druck gegen die Tür ließ diese nach innen schwingen, so dass Glenda den Raum betreten konnte.
Es brannte Licht. Zwar nicht sehr hell und strahlend, doch es reichte völlig aus. Zuerst nahm Glenda den seltsamen Geruch wahr, der über dem Raum lag. Es stank nach irgendeinem Zeug. Sie zog ein paar Mal die Nase hoch und stellte fest, dass es sich dabei um Bohnerwachs handelte. Da musste jemand den Boden eingewachst haben. Der Sarg stand in der Mitte. Schlicht und einfach sah er aus. Kein großes Prunkstück, und er war zum Teil offen. Der Deckel stand schräg auf dem Unterteil, allerdings so, dass Glenda den Körper der Frau noch nicht sehen konnte. Sie musste näher heran. Dabei ging sie auf Zehenspitzen. Sie wusste selbst nicht, aus welchem Grunde sie so leise auftrat. Vielleicht war es der Augenblick der völligen Ruhe oder die Ehrfurcht
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