Liebe im Gepäck (German Edition)
der ihm immer schonungslos die Wahrheit sagte. Und dem sein Star-Status ebenso unwichtig war wie das Geld, das er damit verdient hatte. Matthias verdiente selbst nicht schlecht. Er war Inhaber einer Werbeagentur. Klein, aber exquisit. Und er hatte erst kürzlich einen Großauftrag für einen bekannten Fahrzeugproduzenten in Stuttgart an Land gezogen. Und in dieser Stadt würde er sich auch die nächsten zwei Wochen aufhalten, um sein Konzept gemeinsam mit seinem Kunden umzusetzen.
»Ich weiß, dass ich schon wie Anuschka klinge«, gab Harry zu, »aber was soll ich denn machen? Gisi war gerade bei mir und fordert Unmengen von Geld. Wenn ich die Scheidung will, und ich will die Scheidung, dann muss ich ordentlich in den Geldsack greifen. Denn da ist ja auch noch Schorsch, der ausgehalten werden möchte.«
»Du bist dazu imstande, Harry.« Matthias schüttelte den Kopf. »Der gute Schorsch. Ein netter Kerl, aber ein fauler Hund. Soll er doch selbst arbeiten! Er ist Masseur. Was denkst du denn, wie sich die Schickimicki-Tanten um ihn reißen würden? Ein Mann, der das Topmodel Giselle Verleinen mit seinen Händen glücklich macht. Der ist doch auch für die Frau des Generaldirektors XY genau der Richtige.«
Harry lachte: »Wie wäre es, wenn du mit ihm redest, Kleiner? Du hast wirklich eine Gabe, andere zu überzeugen. Sind die Koffer schon gepackt?«
»Nein, das mache ich erst morgen. Ich hoffe wirklich, dass ich das Projekt in Stuttgart in zwei Wochen durchziehen kann. Ich werde auch danach noch jede Menge Arbeit damit haben. Und dann geht ja bald die große Reise los.«
»Ja richtig, Gitte und du, ihr fahrt nach China. Es ist mir ein Rätsel, was euch dazu treibt, in diesem Land Urlaub zu machen! Vielleicht bekommt ihr zum Mittagessen Hund in Soße. Oder noch schlimmer: rohes Affenhirn. Überall sind massenhaft Menschen. Und schmerzhafte Impfungen brauchst du auch noch.«
»Es geht um die Kultur, Harry, um die Menschen. Das weißt du ganz genau. Mir gegenüber brauchst du nicht den oberflächlichen Popstar hervorzukehren. Natürlich haben wir auch schon mit den Impfungen begonnen. Das wäre gar nicht notwendig gewesen, wenn wir nur nach Peking oder nach Schanghai fahren würden. Aber wir wollen ja in die tiefsten Provinzen. Da ist natürlich Vorsicht die Mutter der Porzellankiste. Gitte hat auch schon die Visa für uns besorgt. Du weißt, wie sie ist. Behördengänge erledigt sie immer so früh wie möglich.Es ist alles geregelt. Und du kannst dir vorstellen, wie ich mich freue! Ich liebe es, ein Land zu entdecken. Und endlich Zeit mit Gitte zu verbringen.«
Wenn Harry sich ein Vorbild für eine gute Ehe hätte nehmen wollen, er hätte die seines Bruders genommen. »Ist Gitte zu Hause?«
»Nein, sie ist gestern nach Darmstadt gefahren, um dort ein Seminar zu halten. Wenn du morgen kommst, haben wir sturmfreie Bude und endlich Zeit, uns einmal in Ruhe zu unterhalten.«
»Das klingt gut, Matthias, aber ich kann nichts versprechen. Ich muss abwarten, was Anuschka geplant hat. Ich melde mich aber auf jeden Fall per Telefon.«
»O.k., Großer, dann alles Gute für die Sendung morgen, und lass dir nicht das Fell über die Ohren ziehen.«
IV
Sonntag, 20. Juni, wieder im Südwesten der Stadt
Sonntag, pünktlich um elf Uhr, läutete es an der Hauseinfahrt, und eine durchdringende Hupe, dreimal betätigt, drang bis ins Arbeitszimmer. Charly, pünktlich wie immer. Harry betätigte den Knopf an der Gegensprechanlage, das Edelstahltor glitt leise zur Seite und ließ die Limousine zur Villa vorfahren. Es war ein warmer, leicht bedeckter Junitag. Harrys dunkle Locken glänzten ebenso wie die Gläser seiner auffallenden Sonnenbrille. Für eine Sonnenbrille bestand keine Notwendigkeit. Denn die Sonne hatte sich hinter Schleierwolken verzogen. Doch Anuschka bestand darauf, dass er sich in der Öffentlichkeit immer mit Sonnenbrille zeigte. Das machte ihn interessanter, unterstrich seinen Status. Ebenso wie der dicke Ring an seinem Finger. Anuschka hatte ihm den Ring geschenkt. Harry mochte das Ding nicht, doch für seine Managerin war es ein unverzichtbares Accessoire. Seine Anhängerinnen liebten Glanz und Glamour.
Sie erreichten das Fernsehstudio eine gute Stunde vor Sendebeginn. Der strenge Portier, der die Schranken bewachte,wechselte mit Charly ein paar nichts sagende Worte. Es war klug, ihn bei Laune zu halten. Der Portier war einer der wichtigsten Männer im Funkhaus. Er bestimmte, wen er durchließ und wer zu
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