Liebe im Gepäck (German Edition)
auf meine Arbeit konzentrieren. Der ganze Rummel blockiert meine Kreativität. Bei jedem Interview, von wildfremden Menschen auf der Straße, überall werde ich nur auf unseren Scheidungskrieg angesprochen. Ich halte mich an Anuschkas Anweisungen und spiele den Kämpfenden, spiele den Kränkenden und spiele den Gekränkten, aber lange halte ich das nicht mehr durch. Lass uns endlich Nägel mit Köpfen machen und über unseren Anwalt die Scheidung einreichen. Lang genug von Tisch und Bett getrennt leben wir ja schließlich. Ich gehe auf deine Forderungen ein. Du kannst das Haus auf Ibiza haben und einen Großteil von dem Geldbetrag, den du verlangt hast. Auch wenn ich nicht verstehe, warum es so viel sein muss. Du warst doch bisher mit deinen Forderungen immer fair.«
»Ich bin auch jetzt fair, Harry. Ich brauche das Geld, damit Schorsch und ich unser Leben weiterführen können, wie wir es gewohnt sind. Natürlich bin ich sofort bereit, die monatlichen Zahlungen zu reduzieren, wenn ich eine neue Aufgabe gefunden habe.«
»Also entschuldige, Gisi, du kannst doch nicht verlangen, dass ich Unterhalt für deinen Lover zahle. Das ist doch die absurdeste Idee, die ich je gehört habe. Der Mann ist groß genug, der Mann ist alt genug, der Mann ist ausgebildet genug, der Mann kann selbst sein Geld verdienen.«
»Aber der Mann will nicht«, sagte Schorsch.
Sein Kommentar war wie immer: kurz, aber prägnant.
Gisi zuckte bedauernd die Schultern: »Wenn es dir zu viel ist, dann wirst du es wohl noch einige Zeit in den Schlagzeilen aushalten müssen, mein Lieber«, sagte sie, ohne auf Schorschs Einwand einzugehen, »und in der Zwischenzeit fällt dir ja vielleicht ein, was ich künftig beruflich machen könnte. Ich habe keinerlei Ausbildung, das weiß ich. Aber ich habe Beziehungen!«
»Wie wäre es mit etwas Karitativem?«
Das war kein wirklich ernst gemeinter Lösungsversuch.
»Ausgeschlossen. Kannst du dir mich in Afrika vorstellen? Inmitten einer Schar kleiner, verdreckter Kinder und einem Schwarm von Fliegen?«
Harry konnte nicht. »Ich habe keine Ahnung, was du sonst machen könntest.«
»Dann, mein Lieber, werde ich wohl noch einige Zeit deine Frau bleiben.« Gisi stand auf und schnappte ihrekleine Gucci-Handtasche. »So, nun komm, Schorsch, wir sind bereits spät dran. Außerdem muss sich Harry noch auf seine Talkshow morgen vorbereiten.«
Wie auf Kommando begann das Telefon zu läuten und schaltete auf Faxempfang.
Ich sehe deinen Kopf hinter der Zeitung verschwinden ,
Ein Unterschenkel wippt hektisch nach vorn.
Was sollte uns beide noch länger verbinden?
Ich bin ja doch nur in deinen Augen ein Dorn.
(… dem Steinfeger der Schorn??
… vom Matter das Horn??)
geschrieben von Seeberstein am 19. Juni., 17.45 Uhr
zerknüllt und weggeworfen am 19. Juni., 17.57 Uhr
Apropos Horn, der Apparat hatte das Fax nun komplett ausgespuckt.
Anuschkas Briefkopf prangte in großen, fetten Lettern darauf: ANUSCHKA HORN, PROMOTION. Darunter in ebenso großen, fetten Buchstaben: HARRY, WAS MACHT DAS NÄCHSTE LIED??!?? Auf der nächsten Seite findest du die Fragen für die morgige Sendung. Ich habe dir die Antworten bereits dazugeschrieben. Wichtig!!!: Vergiss nicht, betroffen zu schauen. Du bist ein sensibler Sänger, daher leide gefälligst unter der Situation. Sonst kommst du bei deinen weiblichen Anhängern nicht authentisch rüber. Gerade Jugendliche haben noch romantische Vorstellungen. Nutz das aus. Sprich möglichst viel über die Liebe und seufze, wann immer es angebracht ist. Vor allem dann, wenn du Fragen bekommst, die nicht auf dieser Liste stehen. Rede dich auf keinen Fall in einen Wirbel hinein. Und vergissnie: Die Wahrheit nützt niemandem. Weder Gisi noch dir. Ich habe nicht die geringste Lust, wieder einmal einen deiner Ehrlichkeitsausbrüche auszubügeln. Charly holt dich morgen um 11.00 Uhr ab. Ich schaffe es leider nicht vor der Talkshow. Ich habe einen Termin bei einem anderen Sender, da läuft etwas ganz Heißes. Morgen Mittag mehr davon. Wir treffen uns nach der Sendung im VIP-Raum des Funkhauses. Toi, toi, toi!
Anuschka
Harry schnaufte unwillig. Immer die gleiche Leier. Es wurde höchste Zeit, dass man wieder über seine Musik sprach. Aber wie sollte man über neue Lieder sprechen, wenn er keine neuen Lieder hatte? Vielleicht gelang es ihm ja, das Interesse der Talkmasterin auf seine Best-of-CD zu lenken? Dass ihm das gelingen würde, glaubte er selbst nicht.
Mit einer raschen Handbewegung
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