Liebe im Gepäck (German Edition)
den Mächtigen in den Sender vorgelassen wurde.
Die Dame an der Rezeption strahlte, als sie Harry sah, und flötete sofort in den Telefonhörer: »Ankunft Herr Seeberstein!«
Eine Tür ging auf, und eine junge Frau kam heraus, um Harry zu begrüßen. »Herr Seeberstein, schön, Sie zu sehen. Ich darf Sie in die Garderobe führen? Frau Horn hat soeben angerufen. Sie hat den kleinen VIP-Raum im neunten Stock reserviert und gebeten, Champagner bereitzustellen. Es scheint, als hätten Sie etwas zu feiern. Was kann das wohl sein?«
Harry zuckte mit den Schultern. Er hatte keine Ahnung. Jetzt wollte er sich zuerst einmal auf diesen Auftritt konzentrieren. Er wünschte, es wäre der letzte in dieser Art. Während er der Aufnahmeassistentin durch die langen Gänge des Gebäudes folgte, gingen ihm ein paar Zeilen durch den Kopf:
Lange Gänge, graue Türen ,
stets die Enge, sich zu verlieren.
Knapp die Luft, das Hirn ist leer ,
warum nur kam ich hierher?
Auch dieser Text hatte wohl nicht das Zeug zu einem Hit.
»Und darum freue mich auf unseren nächsten Gast. Begrüßt mit mir: Seeberstein!« Die blonde Moderatorin überschlug sich fast vor Freude.
Applaus aus der Konserve brandete auf.
Anuschka hatte es gerade rechtzeitig in den VIP-Raum geschafft. Da saß sie, noch schnaufend, in einem zu schmalen Designer-Fauteuil, kickte die Stöckelschuhe von den Füßen und legte die Beine auf den Tisch. »Guido, einen Espresso.«
Der Sekretär war derartige Befehle gewohnt. Ohne Kommentar wandte er sich der Maschine zu. Ein Großbildmonitor zeigte das laufende Programm des Senders. Derzeit zeigte es Harry.
Mit einem Ruck setzte sich Anuschka in ihrem Sessel auf. Was war denn nun wieder in ihn gefahren? Was sollte denn diese seltsame Aufmachung? Ein glänzender weißer Anzug am helllichten Tag? Weiße Anzüge passten in eine Sommernachts-Show. Wenn überhaupt. Sie hatte die Marke »Seeberstein« aufgebaut. Seeberstein war ein Mann. Keine Witzfigur im weißen Anzug. Wenn sie sich nicht um alles selbst kümmerte, ging schon etwas schief. Na, Gott sei Dank hatte sie jetzt den Vertrag mit einem der größten Privatsender in der Tasche. Harry würde sich von einer anderen, einer verletzlicheren Seite zeigen. Also, wenn das nicht den Plattenverkauf ankurbeln würde! Die männlichen Fans würden dort Harrys sportlich durchtrainierten Körper im Einsatz sehen können, bronzefarben gebräunt. Sie durfte nicht vergessen, ihm eine Flasche Nussöl mitzugeben.Das würde ihn nicht nur vor Sonnenbrand schützen, sondern vor allem seine Muskeln zum Glänzen bringen. »Glanz und Glamour«, sie sagte es ja immer.
Inzwischen hatte Harry auf einem roten Plastikstuhl Platz genommen. Ein Designermodel. Etwas unglücklich gewählt. Denn Harry saß so tief, dass er seine Knie fast neben den Ohren hatte.
Anuschka verzog unwillig das Gesicht.
Die Moderatorin hielt Harry die großformatige Zeitung unter die Nase. Es hatte Anuschka viel Mühe gekostet, ihn und Giselle dort auf das Titelblatt zu bringen. Doch wie man sah, es hatte sich ausgezahlt.
»Was müssen wir lesen, Seeberstein?« Die Stimme der Moderatorin klang zutiefst traurig und enttäuscht. »Musste es denn so schlimm kommen? Müssen zwei Menschen, die sich einst echt krass geliebt haben, so eine Schlammschlacht durchziehen?«
Anuschka nickte befriedigt. Die Moderatorin hielt sich genau an die Fragen, die vereinbart waren. Nun würde Harry seufzend und mit Tränen in den Augen verkünden, wie Leid ihm alles täte.
Doch was war das? Harry wirkte nicht bedrückt. Harry war sichtlich gelangweilt.
»Es werden täglich auf der Welt Tausende Ehen geschieden. Ich sehe keinen Grund, um meine Scheidung so ein Theater zu machen.«
Anuschka blieb der Mund offen stehen.
Der Moderatorin blieb ebenfalls der Mund offen stehen. Das war eine andere Antwort als die, mit der sie gerechnet hatte. »Hm, ja. Also, na ja, Sie sind eine Person öffentlichen Interesses, und Ihre Fans …«
»… interessiert meine Musik.«
Die Moderatorin war nicht erfreut, dass das Gespräch so anders lief als vereinbart. »Musik? Ich höre immer: Musik. Habe ich etwas verpasst? Gibt es tatsächlich etwas Neues?«
Diese Spitze saß.
Harry dachte nicht daran, das zuzugeben: »Aber natürlich. Ich bin in einer höchst kreativen Phase. Im September gehts ins Studio, mit neuen Liedern, komplett neuem Sound …«
»Na, da freuen wir uns schon gewaltig drauf. Sicher können Sie auch schon den Namen der neuen CD verraten,
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