Liebe im Gepäck (German Edition)
Hände.
»Am besten, wir verlieren keine Zeit. Da steht schon eine lange Warteschlange vor dem Check-in-Schalter.«
Er machte kehrt, und Franziska beeilte sich, ihm zu folgen.
In der Abflughalle herrschte reger Betrieb. Die Schlange vor dem Schalter der Lufthansa rückte nur langsam vorwärts. Viele der Passagiere waren Chinesen auf dem Heimflug. Sie hatten ihre riesigen Koffer mit Gurten gesichert und schoben voluminöse Plastiktüten als ihr Handgepäck vor sich her. Ein sichtlich nervöser Reiseleiter versuchte, seine deutschen Schäfchen zusammenzutrommeln: »Fredrichs Studienreisen! Fredrichs Studienreisen!«, brüllte er in alle Richtungen und winkte mit den Tickets. Jetzt stand auch noch die Stewardess hinter dem Schalter auf, um ihrer Kollegin bei einem Computerproblem zu helfen.
Dr. Sommer verzog unwillig das Gesicht: »Das kann doch nicht wahr sein! Warum geht denn da nichts weiter? Ich möchte unbedingt noch genügend Zeit für den Duty-free-Shop haben. Ich habe meiner Frau versprochen, ihr Lieblingsparfüm mitzubringen.«
»Wie geht es Ihrer Frau?«, erkundigte sich Franziska rasch, um weitere Unmutsäußerungen zu verhindern.
»Gut. Danke schön. Sehr gut. Unser Junior macht sich bereits stark bemerkbar. Er strampelt wie ein Weltmeister. Kaum zu glauben, dass die Geburt erst in einem Monat stattfinden wird. Ilona, also meine Frau, istschon kugelrund. Meine Mutter meint, das kann nur ein Sohn werden. Ein richtig prächtiger Bursche.«
Hatten denn Frauen, die Töchter erwarteten, keine kugelrunden Bäuche? Franziska hielt es für besser, nicht nachzufragen. Sie konnte sich einen kleinen Seufzer nicht verkneifen: Wie sollte sie es die nächsten zwei Wochen mit diesem Mann aushalten? Er war eingebildet, humorlos, und er hielt sich für den Mittelpunkt der Welt. Aber er war ihr von der deutschen Handelsdelegation als der Experte für Geschäfte mit China empfohlen worden. Außerdem konnte er perfekt Englisch, was für ihre Verhandlungen unbedingt notwendig war. Die Verträge, die er erstellt hatte, hatten Hand und Fuß, und sie musste ihm zugestehen, dass er an jede noch so kleine Eventualität gedacht hatte. Also, was sollte es: Sie würde die nächsten Wochen schon überstehen. Aua! Ein chinesischer Familienvater hatte ihr seinen voll beladenen Trolley in die Kniekehlen gestoßen.
Das Gedränge um sie wurde immer größer.
»Es ist schauderhaft. Die benehmen sich wie zu Hause. Bei uns in Deutschland geht es zivilisiert zu. Da steht man in Ruhe in der Schlange und drängt nicht von allen Seiten herein. He Sie, hinten anstellen.« Dr. Sommer fasste einen chinesischen Reisenden am Ärmel seines beigen Blousons und schob ihn hinter sich.
In diesen Augenblick klingelte laut und vernehmlich Dr. Sommers Handy. Nach kurzem Zögern ließ er den Mann los, der unverständlich, aber lautstark seine Entrüstung zum Ausdruck brachte. Andere Landsleute mischten sich in die Auseinandersetzung ein.
Der Rechtsanwalt hielt es für besser, sein Handy aus seiner Sakkotasche zu nehmen und sich abzuwenden:»Sommer. Wie bitte? Wer sind Sie?« Er drückte Franziska seinen Trenchcoat in die Hand und steckte einen Finger ins andere Ohr, um seinen Anrufer besser zu verstehen. »Was? So sprechen Sie doch deutlicher, ich verstehe Sie kaum! Jetzt? Aber warum denn? Es war doch vereinbart, dass wir erst in einem Monat … Ja, richtig! Ich bin sofort bei Ihnen. Sagen Sie ihr, sie soll noch warten. Ja, ich weiß, aber sie soll noch warten! Ich komme sofort!«
Franziska, die gerade den kunstvoll bestickten Seidenschal einer chinesischen Mitreisenden bewundert hatte, fuhr herum: Was sollte das heißen, »er kommt sofort«?
Binnen weniger Sekunden wusste sie es: Fassungslos sah sie zu, wie ihr der Rechtsanwalt den Trenchcoat abnahm und ihr dafür sein Ticket in die Hand drückte: »Meine Frau ist ins Krankenhaus eingeliefert worden. Unser Junior hat es besonders eilig. Anscheinend kommt er einen Monat zu früh. Tut mir Leid, Sie werden verstehen, ich muss sofort ins Krankenhaus.«
Franziska nickte automatisch.
»Hier, können Sie bitte auch mein Ticket mitnehmen, wenn Sie Ihres am Schalter zurückgeben? Sollte es Probleme geben, Klage androhen! Ich regle das dann schon.«
»Mein Ticket zurückgeben? Warum sollte ich denn mein Ticket zurückgeben? Braucht denn Ihre Frau auch meinen Beistand?«
»Natürlich nicht! Aber Sie werden wohl kaum alleine fliegen!«
»Aber sicher werde ich das. Ich kann nicht länger warten. Die
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