Liebe im Schnee
Kerbe, die kannst du dir hinter die Ohren schneiden.«
Was in der Tat ein kühnes Bild war.
Dann beschloß Kirsten, baden zu gehen. Wegen ihres Muskelkaters. Und weil sie eine kalte Dusche brauchte.
Himmelsjoch hatte nicht nur steile Pisten, kühne Liftbauten, stille Schlittenwege, spiegelglatte Eisbahnen und herrlichen Pulverschnee, Himmelsjoch hatte auch auf 24 Grad vorgewärmtes Wasser. Das Wasser befand sich in einem 30 mal 15 Meter großen Becken. Das Becken lag in einem Raum, der, laut Prospekt, zu den »modernsten Hallenschwimmbädern der gesamten Ostalpen« gehörte.
Es war nicht leicht gewesen, das Projekt in der Gemeindeversammlung durchzudrücken. Die meisten Einheimischen konnten nämlich nicht schwimmen. Es floß einfach nichts, wofür es sich gelohnt hätte. Gott ja, man hatte den Rißbach. Aber wenn der im Frühjahr floß, dann gleich so, daß auch schwimmen nichts mehr half. Man war also gegen alles Flüssige. Vom Höllenwasser einmal abgesehen. Außerdem hatte man enorme Schulden. Und so ein Bad kostete immer gleich ein paar Milliönchen.
Der Leiter des Verkehrsamtes (ein Saupreiß, wie bereits erwähnt) war mit seinen Argumenten dann doch durchgedrungen.
»Wir haben«, so hatte er ausgeführt, »Schulden. Zugegeben. Aber wir können gar nicht genug Schulden haben. Denn je höher die Schuldsumme, um so stärker das Interesse des Gläubigers am Schuldner. Ist das klar?«
Die Herren vom Gemeinderat nickten geschlossen. Niemand war bereit zuzugeben, daß ihm etwas nicht klar war.
»Und im übrigen«, fuhr der Verkehrsbüroleiter fort, »rücken wir als Winterkurort mit Schwimmbad in die Klasse römisch eins a auf. Das bedeutet, daß ihr alle höhere Preise nehmen dürft.«
Dieses Argument hatte auch dem letzten Himmelsjocher eingeleuchtet. Und es war gar nicht mehr nötig gewesen, daß der Doktor Hacks da etwas faselte von »therapeutischer Lockerung skibedingter Muskelverhärtung vermittels Warmwasser«.
Heuer war es dann eingeweiht worden, das neue Hallenschwimmbad am Fuße des Teufelsteins. Ein bekannter Architekt aus der Großstadt hatte es gebaut und die Kalkulation um beiläufig zwanzig Prozent überschritten. Die Baukosten waren schneller geklettert als die Handwerker auf ihren Gerüstleitern.
Pfundig sah es schon aus, das neue Bad, das mußten selbst die größten Grantlhuber zugeben. Voller Respekt marschierten die Einheimischen herum um diesen Traum aus Stahl, Glas und Granit, stellten fest, daß er nur für Schwimmer gedacht war, und waren dann nie wieder zu sehen.
»Dees taugt nur für die Fremden«, hatten sie in edler Bescheidenheit gemeint.
Deshalb wunderte sich der Mann an der Kasse auch so über den Leitner Florian.
Kam der doch angestürmt und japste: »Leih mir a Badehosen und a Handtuch, Schorsch. Und fahr eins von deinen damischen Billetl her.«
»Ja, was willst denn du im Wasser? Is dir net guad?«
»Frag net, schick di lieber«, antwortete der Florian ungeduldig und schaute sich nach einer leeren Kabine um.
»Prima hier«, sagte Kirsten im selben Moment und ließ sich am Rande des Beckens nieder.
»Fein, daß du misch geholt hast«, sagte Trine, »isch mache einfach die Brötesseit etwas länger. Der Schef erlaubt misch alles.«
Sie bestellten bei einem weißbefrackten Ober zwei Apéritifs, baumelten mit den Beinen im Wasser und starrten durch die bis zum Boden reichende Glaswand auf den sturmumtobten Teufelstein. Auf der Fis-Abfahrt trainierten die Kanonen für das am Sonntag stattfindende Rennen. Wenn sie mit 80 Stundenkilometern an der Halle vorbeijagten, stäubten die Schneefahnen gegen die Glaswand. Die beiden Mädchen genossen dieses perverse Vergnügen. Die nabelfreien Bikinis standen ihnen übrigens ausgezeichnet.
»Skaal«, sagte Trine und hob ihr Glas mit der rubinroten Flüssigkeit.
»Prost und behalte die Tür im Auge. Wenn Kiekebusch kommen sollte, gehe ich auf Tauchstation.«
»Jani wird nischt kommen. Er hat Privatbehandlung. Er kann den Schneepflug nischt erlernen.«
Kirsten tauchte den großen Zeh ins Wasser und spritzte Wasser auf die Fliesen. »Über Jani — warum um Gottes willen sagst du eigentlich Jani? — über den bist du ja immer auf dem laufenden.«
»Es ist meine Pflischt als eine gute Freundin. Isch muß ihn von dir ablenken. Ist es nischt so?«
»Es ist so«, gab Kirsten widerwillig zu und konstatierte, daß heute eigentlich ein blöder Tag war. Erst der Traum, dann dieser lüsterne Lichtbildner und jetzt...
Man sollte es
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