Liebe im Schnee
Vater mal stecken, was dieser Kiekebusch für ein unsicherer Kantonist war, von wegen rechte Hand und Nachfolger, wenn Vater wüßte, wonach der seine Hand jetzt ausstreckte. Sie sprach noch ein wenig auf sich ein und war zum Schluß so verärgert, daß sie sich am liebsten mit Jan Kiekebusch wieder verlobt hätte. Plötzlich legte sie ihre Hand auf Trine Hendricksens Schulter. »Du, Trinchen, morgen ist Mittwoch, da hast du doch deinen freien Nachmittag. Da könnten wir zusammen den Gamskogel machen.«
Trine schaute sie mit großen Augen an. »Leider, Mädschen, ich kann nischt. Isch hab’ misch schon an Herrn Kiekebusch vergeben.«
»Na schön«, sagte Kirsten.
Trine sah ihre Freundin betrübt von der Seite her an. Man muß sie aufheitern, dachte sie. »Berichte noch mal von dem Herrn Leitner«, sagte sie und kam begierig ein Stückchen näher gerückt, »hat er auch schon dänische Jungfrauen mit sich geführt?«
»Ich weiß nicht, ob er dänische Jungfrauen mit sich geführt hat, Trine. Es ist aber anzunehmen. Es waren schließlich immer reichlich Däninnen hier.«
Trine schaute versonnen auf die Oberfläche des 24 Grad warmen Wassers. »Danske Mädschen wissen gut zu lieben, Kirsten.«
»Erzähle das heute abend diesem Leitner. Es wird ihn interessieren.« Kirsten trank mit einem Ruck ihren Apéritif aus.
»Isch kann es ihm gleich erssählen«, meinte Trine und wies mit der Hand zum Eingang.
Dort stand Florian Leitner und musterte seine Umgebung. Er trug eine pantherfarbene Badehose zum gebräunten Oberkörper und sah aus, als habe er soeben die Goldmedaille im 100-Meter-Kraulschwimmen gewonnen.
Kirsten überlegte eine Sekunde, ob sie sich aus dem Staube machen sollte, da hatte der Florian sie schon erblickt und kam mit langen Schritten näher.
»Ja mei«, sagte er strahlend, »gibts’n dees aa? Unser schwerblessiertes Skihaserl lebt noch.«
Kirsten schlug ein Bein über das andere und schaute den Apoll in der Badehose groß an. »Sie waren das, der mich da aufgelesen hatte. Wollten Sie nicht Hilfe holen?«
»Dees hab i ja auch getan. Aber wer net da war, dees war’n Sie, Fräulein..., Fräulein...«
»Kirsten.«
»Kirsten..., und weiter.«
»Und weiter nichts. Das hier ist übrigens Fräulein Hendricksen vom Verkehrsbüro.«
»Die kenn i doch. Grüß Gott, Fräulein Hendricksen.«
»God morgen, Herr Leitner«, sagte Trine auf dänisch, schließlich hatte dieser Mensch internationalen Verkehr, »hvordanhar De det? Wie geht es Ihnen?«
»Geht scho«, sagte der Flori und schaute dabei Kirsten an. »Warum, zum Teufel, san S’ denn überhaupt fort gestern und haben net warten kenna? Dees tät mi amal intressiern.«
»Ja warum?« sagte Kirsten rätselhaft und tat so, als denke sie über die Frage das erstemal nach.
»Sie, das geht aber fei net, was Sie da gmacht ham. Sie können die Leit von der Berg wacht net zum Narren haltn.«
»Ich habe Ihre Leute nicht alarmiert.«
»Jetzt langt’s ma aber. Liegt da im Schnee, tut koan Schnaufer mehr, und da soll i die Bergwacht net holen!«
Ganz wütende Augen hatte er bekommen, und Kirsten wußte nicht, warum sie sich darüber freute. Sie nahm ihr leeres Glas und spielte damit. Schade, daß sie keine Zigaretten dabeihatte. Mit einer brennenden Zigarette in der Hand konnte man so schön lässig tun. Zum Beispiel einen Rauchring zur Decke schicken und ihm sinnend nachstarren. Das hatte sie neulich in einem alten Stummfilm gesehen und sehr effektvoll gefunden.
»Sie sind eben ein bißchen übereifrig gewesen, mein Guter«, sagte sie schließlich, was glatt an Sadismus grenzte.
»Jetzt werd i Eahna amal was sagn, Madl«, holte der Flori tief Luft und kam drei Schritte näher. Niemand wird jemals erfahren, was er dem »Madl« in diesem Moment hatte sagen wollen. Badeanstaltfliesen sind glatt. Besonders dann, wenn man sie vorher mit Wasser bespritzt hat.
Der Florian rutschte mit dem rechten Bein weg, warf das Linke wie ein Ballettänzer in die Luft und klatschte mit einem gehechteten Salto rückwärts ins Wasser. Es sah wunderschön aus, und jeder Punktrichter hätte dafür einen Höchstwert aus dem Kasten gezogen.
»Smuk!« sagte dann auch Trine spontan und klatschte in die Hände.
»Als wenn er es monatelang geübt hätte«, meinte Kirsten.
Und weil Schadenfreude nach wie vor die schönste Freude ist auf dieser Erde, lachten beide Mädchen ausführlich. Sie saßen auf dem Rande des Beckens und schauten voller Interesse in das klare, tiefblaue:
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