Liebe im Schnee
sie nämlich.«
»Kir-sten. Ein schöner Name ist das.«
»Net wahr? Wunderschön ist er. Finden S’ dees aa?« Er beugte sich plötzlich nach vorn. »Morgen treffen wir uns zum Skifahren, narrisch gut fährt sie, die Kirsten.« Seine Augen leuchteten wie die eines Kindes unter dem Weihnachtsbaum.
»Hoffentlich kommt sie auch und führt Sie nicht wieder an der Nase herum.«
»I werd Ihnen amal was sag’n, Madl«, sagte der Florian und ahnte nicht, daß er dieselben Worte gegenüber demselben »Madl« heute schon einmal gebraucht hatte, »von einem Weibsbild laßt si der Florian Leitner net zum Deppen machen.«
»Schon recht«, sagte Kirsten und versuchte, an etwas ganz Trauriges zu denken. Zusätzlich biß sie sich noch auf die Zunge.
»Morgen«, tönte es aus der Musikbox, »mor-gen, mor-gen.«
Und Kirsten Bremer freute sich unbändig auf diesen Morgen.
Das vierte Kapitel
DAS ROSAROTE GIPSBEIN
An der Talstation des Sessellifts, der zum Madelejoch hinaufführte, hatten sie sich verabredet. Punkt 2 Uhr.
An der Talstation wartete eine Schlange. Sie war etwa dreißig Meter lang, kunterbunt und klapperte. Was von dem vielen Holz kam. Ihr Kopf wurde zusehends kürzer. Die Doppelsessel, die pausenlos heruntergeschnurrt kamen, schaufelten die Skiläufer emsig auf den Gipfel. Ein Bild schöner Geschäftigkeit und niemals endenden Profites.
Mancher Gipfelstürmer riß sich vor dem Aufsitzen noch rasch eine Wolldecke von dem bereitliegenden Stapel. Die Fahrt auf das Joch dauerte vierzehn und eine halbe Minute und ließ unterwegs so ziemlich alles erstarren.
»Der Radio hat g’sagt, ‘s wird no’ kälter«, meinte der Liftwart, der mit frostklammen Händen die Löcher in die Sammelkarten zwickte, zum Florian Leitner.
»Mir is’ Wurscht«, sagte der Florian zerstreut. Er schritt stampfend um das Holzhäuschen herum und las zum erstenmal in seinem Leben die vielen Schilder.
»Nicht schaukeln während der Fahrt!« stand da zum Beispiel. Weil Himmelsjoch ein internationaler Wintersportort war, wurde diese Warnung in englisch wiederholt. »DO NOT SWING DURING THE TRIP!!« hieß das in der kühnen Übersetzung des ersten Gemeindeschreibers. Jeder Engländer pflegte dieses Schild zu fotografieren. Weil Engländer auch zuhaus gern lachen.
»Nur für Geübte!« las der Florian noch. Womit die Abfahrt vom Joch gemeint war. Dann blickte er zur Uhr und nannte sich einen Lackl, einen g’scherten. Wie bestellt und nicht abgeholt kam er sich vor. Er ertappte sich dabei, wie er laut vor sich hin buchstabierte: »Zehnerkarten 15 Prozent billiger!«
und »Es ist verboten, auf einer Hauptabfahrtsstrecke die gebotene Sorgfalt außer acht zu lassen!«
Dann guckte er wieder auf die Uhr. Es war zwanzig Minuten nach zwei. Er sagte zum Liftwart: »Pfüat di, Schorsch. I hau ab.« Und dann blieb er noch ein wenig.
Kirsten kam gegen halb drei und rief in fröhlicher Unschuld: »Hallo, schon da?« Sie sah ihm an, daß er seit einer halben Stunde seinen Ärger genährt hatte, und war befriedigt. Pünktlichkeit war zwar die Höflichkeit der Könige, sagt der Dichter, aber von König innen ist nicht die Rede gewesen.
»Grüß Sie Gott, Fräulein Kirsten!« sagte der Florian und spürte, wie sein Zorn dahinschmolz. Mei, was war das Madl aber auch fesch! Eine rote Pelzmütze trug sie diesmal zum schwarzen Anorak. Ihre Skihosen waren taubenblau. Nur die Brille, die war schon ein bißchen groß.
»Geh, möchten S’ net die Brillen runtertun«, bat er und zeigte auf die beiden Wagenräder auf Kirstens Augen.
»Nein«, sagte sie, »das möchte ich nicht.« Schließlich gab es ja noch Jan Kiekebusch im Gelände. Aber davon sagte sie nichts.
Sie saßen nebeneinander im Sessellift und schwebten aufwärts. Der Florian hatte die Wolldecke über alle vier Knie gebreitet. Tief unter ihnen rauschte der Rißbach. Wenn Kirsten hinunterguckte, kribbelte es angenehm gruselig in ihrer Rückengegend. Klong-klong machten die Sessel an den Laufrädern der Zwischenstützen. Bärig schön ist’s, dachte Kirsten.
Bärig war das Modewort dieser Saison.
Die Sonne schien bärig, und um den Gamskogel stoben bärige Schneefahnen, und irgendwo jodelte einer bärig, und an der Mittelstation kugelte die Gruppe vom Moser-Sepp geschlossen den bärigen Starthang hinunter...
»Wie die Kegel schmeißt sie’s«, sagte der Florian und trällerte etwas zusammenhanglos. »Wann i nur grad wüßt, wia dees wohl wär, wenn mir a schöns Madl a Busserl gab her.«
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