Liebe im Schnee
noch einiges an Land zu ziehen sein werde.
Am erfolgreichsten auf diesem Gebiet war bisher Miß Cora Brown gewesen. Britanniens Tochter, in ihrer Heimat durch puritanische Strenge um das Beste betrogen, hatte sich ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt und war als Callgirl erschienen. Nur mühsam hatten ihr die Landsleute ein bereits entworfenes Oben-ohne-Kostüm ausreden können. Für Kompromisse immer zugänglich, hatte sie sich mit einem tiefen Ausschnitt begnügt. Es war jedoch eine Verleumdung, daß dieser Ausschnitt den Ausblick auf ihre Blinddarmnarbe gestattete. Um den Hals trug Cora ein Kindertelefon mit Aufschrift: »3 3 3 — Miß Brown, die kommt herbei!«
Die Nummer wurde eifrig gewählt.
Auch die italienischen Schulkinder beteiligten sich daran. Sofern sie Zeit dazu fanden. Sie trugen schwarze Vollbärte und waren voll ausgelastet mit der Tätigkeit, eine Kollektion Scherzartikel unter die Leute zu bringen. Niemand war sich seines Lebens auf die Dauer sicher. In den Sandwiches staken grüne Schmeißfliegen aus Kunststoff, die echter wirkten als echte. Blutegel schwammen in Sektgläsern. Man bekam Zigaretten angeboten, die nach dem Anzünden das Gesicht schwärzten, und setzte sich auf Kissen, die höchst peinliche Geräusche von sich gaben.
Von soviel Übermut wurde auch Mynheer van Zanten angesteckt. Er schraubte von der Innenwand des Hotellifts ein Schild ab und befestigte es mit Hilfe einer Sicherheitsnadel unauffällig am Rücken einer fremden Dame. Auf dem Schild stand: »Zugelassen für 4 Personen!«
Brüllend vor Lachen setzte er sich dann in einen Sessel. Nicht ohne vorher ein Häufchen Exkremente von erstaunlicher Naturtreue mit der Hand entfernen zu wollen. Diesmal allerdings war es kein Scherzartikel, sondern stammte vom Kater Augustus. Durch den Knall eines Sektkorkens war dem Tier just dieses Malheur passiert.
Konsul Bremer mußte über den Irrtum derart lachen, daß er zu Boden ging. Da er gerade unten war, kroch er unter den großen Kamintisch und sah sich ein bißchen um. Zwischen nackten Damenbeinen entdeckte er Jans in nagelneuen Gehgips gehülltes Beinchen. Bremer zog aus einer neben einem Stuhl stehenden Damenhandtasche einen Lippenstift und tätowierte die Oberfläche mit Zeichnungen nach St.-Pauli-Manier. Als er wieder auftauchte, stellte er fest, daß das Gipsbein eine Imitation war und der Studienrätin mit der Zwerchfellatmung gehörte. Er ergriff die Flucht, wurde aber in der Halle von der Rätin gestellt und mußte zur Strafe mit ihr Tango tanzen.
Später gab es einigen Ärger mit dem Doktor Hacks. Der Skichirurg — ein Wort, das nach Mitternacht nur noch wenige aussprechen konnten — war als Karajan erschienen. Mit aufreizender Regelmäßigkeit pflegte er an der Musikbox den Gefangenenchor aus Verdis Oper »Nabucco« (Na Bucko?) zu drücken, um ihn anschließend mit seinem elfenbeinernen Taktstock zu dirigieren. Nabucco aber war für Twist ungeeignet.
Man stellte Hacks deshalb vor die Wahl, den Unsinn zu lassen oder sich von dem als Dr. Eisenbart kostümierten Wammetsberger junior operieren zu lassen. Da gab Hacks klein bei und verbrannte seinen Taktstock betrübt im Kamin.
»Kennen Sie den?« versuchte ihn der schwergewichtige Bauunternehmer aus Castrop-Rauxel (der im achten Jahr den Schneepflug übte) mit einem Witz aufzuheitern. Ein Kostüm trug er nicht, sondern lediglich ein Namensschild nach Art der Postangestellten. Mit dem Text: »Hier bedient Sie Herr
Meier!« (Das Schild löste besonders im Kreise der Damenwelt ungetrübte Heiterkeit aus.)
»Also, passen Sie auf! Ein amerikanischer Soldat hat sich mit einem deutschen Mädchen verabredet zu einer Fahrt ins Grüne. Auf einer Waldlichtung halten sie. Der Ami sagt: >Nun wir machen Pick — nick!< Wissen Sie, was das Mädchen antwortet?«
»Nein«, sagte Dr. Hacks, der selbst die ältesten Witze immer wieder neu fand, weil er nie welche behalten konnte.
»Also das Mädchen antwortet«, sagte der Bauunternehmer aus Castrop-Rauxel und konnte vor Lachen über seinen eigenen Witz kaum noch sprechen, »also das Mädchen antwortet«, er schlug sich keuchend auf die Oberschenkel, »es antwortet: »Könnten wir nicht erst was essen?<« Er erstickte fast vor Vergnügen.
Hacks sah ihn mit der Miene eines Mannes an, der die Pointe nicht mitgekriegt hatte.
»Bitte recht freundlich!« rief der Fotograf Madeira im selben Moment und hielt des Doktors verständnisloses Grinsen für die Nachwelt fest. Madeira hatte einen
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