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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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von Himmelsjoch der tägliche Korso. Man war vom Skifahren zurück und machte Einkäufe.
    Die Selbstverpfleger fuhren mit den Drahtwägelchen durch den Selbstbedienungsladen des Xaver Breitfuß und staunten über die Preise. Sie lagen um zwanzig Prozent höher als auf der Königsallee zu Düsseldorf oder auf dem Berliner Kudamm. Xaver selbst stand, um zwanzig Prozent schwerer geworden, am Eingang, verabschiedete jeden Kunden mit einem herzlichen »Vergelt’s Gott!« und gedachte der Zeiten, da »Gemischtwarenhandlung« über seinem Lädchen gestanden hatte.
    Die Vollpensionisten präparierten sich in der Bar des Hotels »Zur Post« mit Hilfe von Bitterschnäpsen für das bevorstehende viergängige Abendessen. Man stellte resigniert fest, daß Skilaufen nicht abnehme. Woran die immer zahlreicher werdenden Lifte schuld waren, im Prospekt »mechanische Aufstiegshilfen« genannt. Man lauschte den Erzählungen uralter Stammgäste. Diese gaben an, daß in Himmelsjoch die Vollpension einst für zehn D-Mark zu haben gewesen sei. Was helles Gelächter in der Runde auslöste.
    Anschließend drehten alle Gäste drei Runden um das alte kleine Kirchlein und studierten den gerahmten Bauplan für das neue große Gotteshaus, an dessen unterem Rand eine Sparbüchse diskret um Spenden bat. Man warf einen Blick auf die still ihre Kreise ziehenden Eisläufer, stellte fest, daß der große Schneemann weiterhin vor der Kreditbank Wache hielt, und trat beruhigt den Heimweg ins Quartier an.
    Das tat auch Bumsi Klötzel. Unter den linken Arm hatte sie ein großes Paket geklemmt, in der rechten Hand trug sie eine —
    Angelrute. Gelegentlich blieb sie stehen und wechselte die Last. Ein tückisches Lächeln umspielte dabei ihre Züge.
    Zumindest glaubte das der Florian Leitner festzustellen, der mit den Brettln über dem Rücken von der Skischule kam.
    Daran war vielleicht nur seine schlechte Laune schuld. Kirsten hatte nämlich für heute abend abgesagt. Ihr damischer Schriftsteller brauchte sie wieder einmal. Für keinen Zehner mehr hatte er Lust auf das Kostümfest. Er drückte sich unauffällig an der Klötzel vorbei und stapfte nach Hause.
    Vor der Tür des Gasthofes »Zur Blauen Gans« stand Vater Leitner und unterhielt sich mit einem Mädchen. Das Mädchen trug einen grünen Lodenmantel und ein schwarzes Kopftuch mit roten Rosen.
    »Grüaß di, Vatter!« sagte der Florian und stellte seine Bretter in den Skiständer neben der Tür.
    Er sagte »Grüaß di, Vroni!« und fuhr mit dem Schneebesen über seine Skistiefel.
    »Grüaß di, Flori!« sagte das Mädchen, das er mit Vroni angesprochen hatte. »Sieht man die aa wieder amal?«
    »Jawoll«, sagte der Florian.
    »Gehst heut zum Kostümfest in die >Sonne    »Muaßt du dees wissen?« brummte der Flori.
    »Fragn werd ma scho’ no’ derfa.« Ganz rot war die Vroni geworden.
    »Du bist ja gut aufg’legt«, sagte Vater Leitner. Er schickte aus seiner langen Pfeife dicke Rauchwolken in die Luft.
    »I geh, pfüat euch!« sagte die Vroni und verschwand zornigen Schrittes.
    Die beiden Leitners gingen ins Haus.
    Es war übrigens das schönste Haus in ganz Himmelsjoch, das Haus der Leitners. »ANNO DOMINI 1761« stand auf dem Giebel unter dem weit vorragenden Dach. Ein Lüftlmaler hatte damals die Giebelfront mit bunten Fresken bemalt. Viele Heilige hatte er zu einem Stelldichein versammelt. Da kämpfte der Georg mit seinem Drachen. Der Martin zerschnitt mit dem Schwert seinen Mantel in zwei Hälften, um dem Bettler eine Hälfte schenken zu können. Der Michael drohte mit Flammenschwert und Seelenwage. Die Theresia hielt beide Hände über ihr Herz, das vom Pfeil göttlicher Liebe durchbohrt ward. Feuerpatron Florian löschte mit seinem Holzschaffl ein brennendes Haus. Und der Pestheilige Sebastian litt bitter an seinem Marterpfahl.
    Über dem Torbogen prangte die blaue Gans, die dem Haus ihren Namen gegeben hatte. Darunter mahnte eine Inschrift: »Glück und Unglück beides trag in Ruh! Alles geht vorüber und so auch du.«
    Die Fremden fotografierten das Haus oft. Dabei lasen sie laut die Inschrift ab und sagten: »Wie wahr!« Dann gingen die Fremden weg und vergaßen sie wieder.
    Vater Leitner saß auf der Holzbank in der Wohnstube und stopfte eine neue Pfeife. Der Florian lehnte mit dem Rücken gegen den bunten Bauernschrank. Im Herrgottswinkel, unter dem Bild des Gekreuzigten, brannte eine Kerze.
    »Mir taat d’ Vroni g’fallen«, sagte Vater Leitner, nachdem er die

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