Liebe im Schnee
dagegen, ich meine...« Er verhaspelte sich hoffnungslos. »Nun, auf jeden Fall hat das nichts mit deiner sofortigen Abreise zu tun.«
»Es hat damit zu tun.« Kirsten spielte nervös mit den Bommeln der Tischdecke. »Wenn ich jetzt reise, dann..., dann erfährt er es von anderen.«
»Was du für ein Spiel mit ihm getrieben hast. Allerdings.«
»Siehst du, und das möchte ich nicht. Dann ist es nämlich aus zwischen uns. Er hat seinen Stolz.« Sie spürte, wie ihr bei dem Gedanken fast übel wurde. »Ich möchte es ihm heute abend selbst sagen. Beim Kostümball.«
Bremer hatte für einen Moment Mitleid mit seiner Tochter. »Du meinst, im Kostüm, da läßt sich leichter ein Geständnis machen?«
»Vielleicht«, hauchte sie.
Er rang mit sich. Dann dachte er an seine Frau und beschloß, hart zu bleiben. Ein Exemplum mußte ohnehin einmal statuiert werden. Er gab sich einen Ruck und sagte: »Du fährst, basta!«
Kirsten sprang so heftig auf, daß ihr Stuhl nach hinten umkippte. Sie durchquerte den Speisesaal, ging in die Bar und kam mit einer Ansichtskarte wieder zurück.
»Du willst also, daß ich fahre, Vati. Einverstanden!« Sie schob ihm die Karte mit der Bildseite nach unten über den Tisch. »Dann sei so lieb und schreib hier ein paar Zeilen an Mami! Sie kriegt sonst einen zu großen Schreck.« Ihre Stimme klang honigsüß.
»Mit Mami kann ich telefonieren.« Mißtrauisch schaute er seine Tochter an. Er wurde nicht schlau aus ihr. Was sollte dieser plötzliche Wetterumschwung?
»Schreiben ist billiger als telefonieren«, sagte Kirsten. Sie setzte schmeichelnd hinzu: »Viel billiger, lieber Vati.«
»Na schön«, sagte Bremer.
Während er schrieb, warf er ab und zu einen forschenden Blick auf Kirsten. Sie lächelte ihn jedesmal freundlich an.
»... möchte ich Dir, liebe Helen, jetzt nicht alles haarklein auseinandersetzen. Einiges wird Dir Kirsten erzählen, und den eventuellen Rest erfährst Du nach meiner Rückkehr in acht Tagen.« Er verschrieb sich zweimal und verbesserte das falsche Wort.
»Nur soviel für heute«, fuhr er fort, »hier ist einiges passiert. In puncto Gesprächsstoff für Deinen nächsten Damentee wärest du aller Sorgen ledig, wenn die Angelegenheit nicht gar so heikel wäre. Punkt.«
»Das glaube ich auch«, gluckste Kirsten. Sie hatte über seine Schulter geblickt und mitgelesen.
Mit hochgezogenen Augenbrauen schüttelte er den Kopf über ihr albernes Benehmen. Er drehte die Karte gewohnheitsgemäß um und warf einen Blick auf die Ansicht. Die Karte fiel ihm augenblicklich aus der Hand und flatterte auf den Fußboden. Kirsten bückte sich eifrig danach.
Die Ansichtskarte zeigte als Ansicht die Ansicht des Konsuls Bremer, wie er einen weiblichen Wintergast mitten auf den Mund küßte. Es handelte sich allem Anschein nach um die dritte offizielle Brüderschaft mit Bumsi Klötzel.
»Eine Klassefotograf, dieser Madeira«, sagte Kirsten, »nicht wahr, Vatilein?«
Vatilein öffnete den Mund, machte ihn wieder zu, holte tief Luft durch die Nase.
»Oder findest du dich nicht gut getroffen?« Sie nahm das Foto und betrachtete es interessiert. Bremer riß es ihr aus der Hand und machte aus der Ansichtskarte Schnitzelsalat.
Kirsten zog aus ihrer Jackentasche ein zweites Foto. »Bediene dich!«, sagte sie.
»Bestie!« sagte Bremer. Er war wütend und sprachlos zugleich. Außerdem ärgerte er sich über die Tatsache, daß ihm seine Tochter auch noch imponierte.
»Schließen wir einen Pakt, Vati!« sagte Kirsten. Der Spott war aus ihrer Stimme verschwunden. »Ich schicke die Karte nicht ab, und du schickst mich nicht weg. Topp?«
»Topp!« seufzte der Konsul. Dafür bekam er einen Kuß.
Als die beiden Bremers den Speisesaal verlassen hatten, hörte man hinter dem großen Wandschirm an der Küchendurchreiche ein Geräusch. Eine Gestalt trat vorsichtig aus der Nische. Die Gestalt blieb mitten in dem halbdunklen Speisesaal stehen und dachte laut: »Dat is äne Ding!«
Leise dachte die Gestalt: »Dat küt ja nit infrage. Den laß ich mir nit wegschnappe, den Florian. Da bin ich fies vor...«
Es war, wie jeder an der Aussprache erkannt haben wird, Bumsi Klötzel. Sie war zum unfreiwilligen Zeugen dieser so aufschlußreichen Unterhaltung geworden. In Bumsi Klötzels hellem Köpfchen schmiedete die Eifersucht in diesem Moment einen Plan. Mehr ein Plänchen. Aber ein feingesponnenes...
Das zehnte Kapitel
MANCHE MÖGEN’S BLOND
Zwischen fünf und sechs Uhr war auf dem Marktplatz
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