Liebe im Spiel
müssten in London sein«, murmelte Rufa. »Wir müssen nach London gehen.«
»O Gott – schreibt wieder Tschechow unsere Drehbücher? Mr. Bean war mir lieber.« Rose nahm einen großen Schluck Wein, wie eine Dosis Medizin.
»Und wir müssen ein paar anständige Klamotten kaufen.«
»Wach auf, Liebling. Womit? Niemand von uns hat einen Heller.«
»Nancy und ich könnten die erste Runde bestreiten«, fuhr Rufa fort. »Wir könnten es uns als eines der Spiele des großen Mannes vorstellen – das Hochzeitsspiel.«
»Zu heiraten ist kein Spiel.«
»Und wir könnten bei Wendy wohnen. Sie würde uns bestimmt aufnehmen.«
Wendy Withers war ihr früheres Kindermädchen. Sie hatte den Zustand des Hauses ertragen – und die Unregelmäßigkeit ihres Gehalts –, weil sie hoffnungslos in den großen Mann verliebt gewesen war. Sie hatte eine seiner kurzen, intensiven Affären mit ihm genossen und war ihm aufgrund dessen nach Hause gefolgt. Die Mädchen hatten sie geliebt, und auch Rose hatte sie zunehmend gemocht. Als Wendy nach fünf Jahren gegangen war, um Platz für irgendwelche balinesischen Tänzerinnen zu machen, hatten beide Frauen geweint. Rose war beeindruckt, dass Rufa ihre Idee schon so weit entwickelt hatte.
»Du hast Recht, sie würde euch begeistert aufnehmen.«
Rufa plante. »Ich kann ein paar Tausend für den Wagen kriegen, dann könnten wir vielleicht zurechtkommen.« Sie runzelte angestrengt die Stirn. »Linnet müsste allerdings zur Schule laufen. Und wie kämst du zum Einkaufen? Vielleicht ist es das Risiko gar nicht wert.«
Das Feuer, das zu düster glühender Kohle heruntergebrannt war, verlieh ihrem kastanienbraunen Haar die Farbe von Wein. Sein Licht fiel goldfarben auf ihre Wange. Sie ist so wunderschön, dachte Rose. Und sie verschwendet hier ihr Leben, weil der große Mann ihr das Versprechen abgenommen hat, für immer zu bleiben.
»Geh das Risiko ein«, sagte sie impulsiv. »Tu einmal in deinem Leben etwas Verrücktes. Ich hasse es, wenn du unglücklich bist, Liebling –, aber dein Hochzeitsspiel ist verdammt nochmal die vernünftigste Idee, die ich seit Ewigkeiten gehört habe.«
Rufa war verblüfft. Die beiden Frauen sahen einander gebannt an.
Der Augenblick unerwarteter Vertrautheit wurde vom Geräusch der Eingangstür unterbrochen, die sich schwerfällig und mit einem Knarren wie Draculas Sargdeckel öffnete. Eine unmelodische Tenorstimme sang:
»Wir sind kein gewöhnlicher Bettler,
der von Tür zu Tür rennt.
Wir sind die Kinder eurer Nachbarn,
die ihr schon kennt!«
»Oh, es ist Ran«, sagte Rose lächelnd und verdrehte die Augen. »Schnell, lass dir etwas einfallen, was wir in die Suppe geben können, sonst wird sie nie reichen.«
Rufa erhob sich, während sie ihr Hochzeitsspiel im Geiste beiseite schob. »Einen Turnschuh?«
»Kannst du nicht eine Kartoffel erübrigen?«
»Du hast mir noch vor einer Sekunde gesagt, ich soll aufwachen«, erwiderte Rufa. »Es gibt hier nirgendwo eine überzählige Kartoffel.«
Die wuchtige, gemaserte Tür zwischen der Großen Halle und der Küche öffnete sich, und kalte Luft peitschte in die verrauchte Wärme. Roger kam herein und zog den Reißverschluss des alten Wachsmantels des großen Mannes auf. Er war ein blasser, schmächtiger Mann von fünfunddreißig. Sein Haaransatz zog sich bereits bis über die Stirn zurück, und ein dünner brauner Pferdeschwanz hing zwischen seinen Schulterblättern herab. Die Hauptsache in Rogers Leben – alles, was man über ihn wissen musste – war, dass er Rose schon seit zehn Jahren liebte und sie bis zum Tode ergeben lieben würde. Er verströmte gütige Ruhe und brachte den exotischen Beigeschmack von gesundem Menschenverstand in den Haushalt ein. Roger war trotz seiner Umgebung auf stille und beharrliche Art normal.
»Tut mir Leid, dass ich zu spät komme«, sagte er leutselig. »Ran wollte nicht allein bleiben, sodass ich ihn mitgebracht habe.«
»Noch ein Maul zu stopfen«, sagte Rose, »aber es liegt mir nicht, zu widersprechen. Das Liebesleben dieses Jungen ist ebenso spannend wie fernsehen.«
Ran platzte in den Raum, drängte Roger beiseite. »Frohe Weihnachten, Mädels.« Er ließ einen feuchten Sack auf den Tisch fallen und stürzte voran, um Rose und Rufa auf die Wange zu küssen. »Gott, ist das kalt. Gebt mir etwas zu trinken.«
»Da brauchst du Glück«, sagte Rose. »Es besteht bereits eine lange Warteliste für diesen Wein.«
Auch bei Ran konnte man behaupten, dachte sie, dass
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