Liebe im Spiel
Haus zu tun.«
Sie war fünf und so wunderbar, wie ein Kind es nur sein konnte. Die porzellanartigen Züge und blauen Augen ihrer Mutter hatten sich mit Rans glänzendem, vollkommen glatten schwarzen Haar vermischt und ein blasses, ernstes Rapunzelchen ergeben. Sie trug eine hellgrüne Strickjacke mit noch einer durch die Löcher lugenden gelben Strickjacke darunter und strahlte eine gewisse Würde aus.
Während Rufa ihren Tee trank, kniete sie auf dem Steinboden neben dem Tisch. Linnet hatte ihr Haus mit einem sehr schmutzigen Kissen und einem kahlen Zweig eingerichtet, der einen Weihnachtsbaum darstellen sollte. Ihre beiden Braunbären, die Ressany-Brüder, lagen verdreht auf einem Handtuch. Zwei von Linnets Strümpfen waren in Bärenhöhe ans Tischbein geheftet.
»Das ist ihr Kamin«, erklärte sie. »Sie haben gerade ihre Strümpfe aufgehängt.«
Rufa nahm die Erwähnung der Strümpfe als hoffnungsvolles Zeichen. Vor einigen Wochen hatte Linnet ihre Großmutter über einer gigantischen Stromrechnung weinend vorgefunden. Weil niemand daran dachte, vor dem kleinen Mädchen Verschwiegenheit zu bewahren, hatte sie laute Streitgespräche darüber mit angehört, ob sie an ihrem letzten Weihnachten in Melismate Strom oder Alkohol haben sollten.
Kurz darauf hatte sie bewusst beiläufig zu Rufa gesagt: »Es gibt dieses Jahr wohl nicht viele Geschenke.«
Die Tapferkeit dieser Worte hatte den Schwestern unglaublich wehgetan.
Jetzt, erleichtert durch die Erkenntnis, dass alles in Ordnung käme – dass Linnets Freude ein Fenster der Richtigkeit in der alles durchdringenden Niedergeschlagenheit öffnen würde –, war Rufa beinahe glücklich.
Es gab keinen Tropfen Gin im Haus, und andere Grundnahrungsmittel gingen zur Neige, aber die Opfer waren es wert gewesen. Morgen früh würde Linnet am Fuß ihres Bettes einen prall mit Geschenken gefüllten Strumpf vorfinden.
Linnet wickelte unter dem Tisch zwei schrumpelige Kastanien und einen angelaufenen Messing-Türknauf in Stanniol.
»Die Lieben«, sagte sie nachsichtig und deutete mit dem Kopf auf die Bären. »Sie sind so aufgeregt. Beruhigt euch, Jungs.«
»Es ist fast an der Zeit, auch deinen Strumpf aufzuhängen«, sagte Rufa. »Und wir dürfen nicht vergessen, eine Kleinigkeit für den Weihnachtsmann dazulassen.«
Es schmerzte sie, den scharfsinnigen, misstrauischen Ausdruck auf Linnets Gesicht zu sehen. Der große Mann hatte an Heiligabend immer einen Happen für den überarbeiteten Heiligen dagelassen. Aber der große Mann war tot, und alles hatte sich schrecklich verändert.
Linnet tauchte auf allen vieren aus ihrem Haus auf. »Letztes Mal haben wir ihm Gin und Tonic dagelassen.«
»Kein Gin«, seufzte Rose.
»Eine Tasse Tee und einen Keks«, schlug Rufa vor. »Das würde ich in einer Nacht wie dieser auch selbst mögen.«
Linnet nickte zufrieden. »Und ein bisschen Gras.«
»O nein, Liebling«, widersprach Rose. »Ich glaube nicht, dass der Weihnachtsmann raucht.«
»Nicht das Gras, Dummerchen. Ich meinte, als Fressen für das Rentier.«
Rufa schluckte ein Lachen hinunter – Linnet hasste es, wenn über sie gelacht wurde. »Es ist zu kalt, um rauszugehen. Wie wäre es mit Zuckerstücken?«
»Okay.«
Die Tür flog auf, und Nancy wehte mit der Zugluft herein. »Miss Linnet, Ihre Mutter verlangt oben nach Ihnen.«
Sie kam gerade aus dem Bad, in einer Wolke großartigen Haars und eines unidentifizierbaren Parfums. Sie trug jetzt ein schwarzes Strickkleid, das ihre BH-losen Brüste umschmiegte.
»Komm mit mir rauf«, befahl Linnet.
»In Ordnung.«
»Dieses Kleid steht dir gut«, bemerkte Rufa.
»Nicht wahr? Tut mir Leid, dass ich nicht gefragt habe. Aber es macht dir doch nichts aus, oder?«
»Nein. Ich wünschte nur, ich würde es an denselben Stellen ausfüllen wie du.«
»Danke.« Nancy nahm Rufas Teetasse hoch und ließ drei der verfärbten Zuckerstücke hineinfallen.
Rufa trat zum Herd, um sich eine weitere Tasse Tee zu machen. Nancy könnte wirklich phänomenal aussehen, dachte sie – wenn sie sich wie eine Dame kleiden würde, anstatt wie eine Kreuzung zwischen Angelina Jolie und Posh Spice – pardon, Mrs. Beckham. Der Gedanke, Geld zu heiraten, verfestigte sich in Rufas Geist.
Während sie darauf wartete, dass der Kessel wieder kochte, sah sie sich im Raum um. Diese riesige Küche und die angrenzende, gewölbeartige Große Halle waren die ältesten Teile Melismates. Sie waren im vierzehnten Jahrhundert erbaut worden, und ihre massiven
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