Liebe im Spiel
hätten das Partyband des großen Mannes – er hat ein Band mit all unseren Lieblingssongs aufgenommen«, erklärte sie Berry. »Er hat es normalerweise schon beim geringsten Anlass hervorgeholt. Jetzt hätte er es bestimmt gespielt, oder, Mum?«
»Gott, ja«, seufzte Rose. »All diese großartigen Neuigkeiten hätten mindestens ›Cum on Feel the Noyz‹ verdient.«
»Oder sogar ›Funky Chicken‹«, sagte Rufa.
Selena erhob sich. »Ich weiß vielleicht, wo es ist. Das ganze Zeug aus seinem Schreibtisch wanderte in einen Karton unter der Treppe, und ich bin mir sicher, dass ich ihn gesehen habe, als ich unsere Weihnachtsbeleuchtung herausholte.«
Lydia, beschwipst und kichernd, ging mit ihr, um in der staubigen Rumpelkammer unter der Treppe danach zu suchen.
»Alles, wonach wir tanzen können«, rief Rose ihnen nach. Sie erhob sich steif von ihrem Stuhl. »›The Best of Abba‹ würde genügen.«
Roger verbeugte sich und küsste Roses rußige Hand. »Darf ich bitten?«
»Lieber, natürlich – und ich bestehe darauf, auch mit jedem meiner Schwiegersöhne zu tanzen.«
»Wir haben es.« Selena und Lydia kamen triumphierend zurück. Selena wischte eine mit Spinnweben versehene Kassette an ihrer Jacke ab. »Das berühmte Partyband.« Sie steckte es in den Ghettoblaster auf der Anrichte und drehte die Lautstärke auf. Wie auch der Mann es getan hatte, verkündete sie: »Ladys und Gentlemen, bitte nehmen Sie Ihre Plätze zum ›Hi-ho Silver Lining‹ ein.« Sie drückte die Play-Taste.
Ein Zischen erklang, dann ein lauter Akkord – und dann brach die Musik jäh ab.
Die Stimme des großen Mannes erfüllte den Raum. »Hallo, Mädels. Ich hoffe, ihr spielt dieses Band ab, weil ihr Spaß habt.«
Selena schaltete es wieder aus, wie angestochen. Sie standen in heiliger Scheu da und starrten einander in die bleichen Gesichter.
Rose flüsterte: »Natürlich, natürlich. Ich hätte es mir denken sollen. Ich wusste, dass es eine Nachricht geben musste.«
Sie schob Selena sanft beiseite, streckte eine zitternde Hand aus und spulte das Band zum Anfang zurück. Edward legte einen Arm um Rufas Taille. Lydia setzte sich hin und hob eine Linnet mit großen Augen auf ihren Schoß. Tiefe Stille senkte sich um sie alle, während sie sich dafür wappneten, die Stimme aus einer anderen Welt zu hören.
»Hallo, Mädels. Ich hoffe, ihr spielt dieses Band ab, weil ihr Spaß habt. Ich hoffe, es bedeutet, dass ihr nicht zu traurig seid. Das alles tut mir Leid, und ich werde euch die Gründe nicht nennen, warum ich euch verlassen muss. Ich wollte euch nur sagen, wie sehr ich euch alle liebe. Und ich überspiele mein Band, weil ich möchte, dass ihr mich genau so in Erinnerung behaltet. Nur die Spaß-Seite, nicht wahr? Den Rest könnt ihr vollkommen vergessen.« Eine Pause folgte, in der sie ihn vor sich hinsummen hören konnten, wie er es stets tat, wenn er sehr nachdenklich war. »Das fühlt sich ein bisschen wie die Oscar-Verleihung an«, fuhr die Stimme fort, unheimlich nah und vertraut. »Rose, Rufa, Nancy, Liddy, Selena, Linnet – lebt wohl, meine Lieblinge – meine Seidenprinzessinnen.« Seine Stimme brach. Er räusperte sich. »Und ich sollte noch Rodge und Edward erwähnen, weil ich von ihnen erwarte, dass sie sich um euch kümmern. Ich denke, das ist alles, und ich sollte besser gehen – oh, weil ich gerade daran denke: Bitte spielt auf meiner Beerdigung nicht ›Seasons in the Sun‹.«
Eine weitere Pause. Sie warteten atemlos, spürten ihn bei sich.
»Verzeiht mir, und seid so glücklich wie möglich. Tut mir Leid, dass ich ›Silver Lining‹ überspielt habe.« Plötzlich wurde seine Stimme wieder lebhaft und humorvoll. »Und es tut mir Leid, dass ich die Party, welche auch immer ihr gerade feiert, störe – ich hoffe, es ist ein Knüller. Ladys und Gentlemen, bitte nehmen Sie Ihre Plätze für ›Wig Wam Bam‹ ein.«
Der Song begann. Der große Mann hatte seine Verbeugung gemacht.
Rose schaltete das Band ab. Alle blieben stumm, und alle weinten. Nach einem langen Schweigen sagte Rose: »Ja, es ist ein wahrer Knüller.«
Diese Tränen schmerzten nicht. Eine große Ruhe lag über dem Raum.
Nancy nahm ihr nasses Gesicht von Berrys Schulter. »Habt ihr ihn nicht gehört? Er will, dass wir tanzen – schaltet ein!«
Plötzlich lächelten sie einander alle zu, die Blicke in weiter Ferne, als hätten sie eine wundersame Vision geteilt und als hätte sie sie wie der Weihnachtsgeist gesegnet. Selena schaltete die
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