Liebe im Spiel
Gerümpel. Brian hatte das Gerümpel auf insgesamt vierzig Pfund geschätzt. Man konnte nicht erwarten, dass er den wahren Wert jenseits des Materiellen erkannte. Das Kinderzimmer war ein Inbegriff der Familiengeschichte, wie die Ringe eines Baumes.
Die Bilderwand, mit vergilbten Bildern pausbäckiger Kinder in Matrosenanzügen, war ein Relikt irgendeines viktorianischen Hasty. Der wuchtige Silver-Cross-Kinderwagen, der jetzt verbeult und ruiniert war, stammte aus der Vorkriegskindheit des großen Mannes.
Der große Mann war ihr verstorbener Vater. Er war der Welt vor sechs Monaten entglitten, während seine Hinterbliebenen auf die Erde gestürzt waren wie ausgebrannte Raketen. Der große Mann war himmlisch gut aussehend, verblüffend selbstherrlich, großartig exzentrisch und äußerst charmant gewesen. Er konnte eine lächerliche Geste weit über die Komödie hinaus erheben und mit Grandeur einsetzen. In seinen Flitterwochen in Antibes war er während eines Streits aus dem Zimmer gerauscht und wollte sich der Fremdenlegion anschließen. Einmal hatte er seinen nackten Körper mit blauer Körperfarbe beschmiert und als Höhlenbewohner an einem Kinderkostümfest teilgenommen. Der große Mann hatte Partys geliebt, er hatte praktisch eine Party gelebt. Er hatte es geliebt, wenn dieses Haus vor Leuten barst und vor Lachen widerhallte. Er hatte es geliebt, sein Herz zu verlieren, und seine Frau und seine Töchter hatten ihn durch viele untreue Zeiten hindurch liebevoll gepflegt, wenn dieses empfindliche Organ gebrochen zurückgeschickt wurde – irgendwie war sogar sein Ehebruch anders und zählte nicht als Betrug. Niemand konnte sich erinnern, wann sie angefangen hatten, ihn den großen Mann zu nennen. Er war einfach der ultimative Mann gewesen, der Mann, der alle Männer krönte. Er hatte sich – und sie – mit Glamour und Glanz umgeben. Als er starb, war alle Farbe aus ihrer Welt entwichen.
Rufa mühte sich in eine sitzende Haltung, um ihren Wein zu trinken. Sie hatte ihren Vater vergöttert, musste aber inzwischen allmählich zugeben, dass die höchst individuellen Moralvorstellungen des großen Mannes eine vernichtende Wirkung auf das Gefühlsleben seiner Töchter gehabt hatten. Er war die Ursache ihrer verhängnisvollen Neigung zum Dekorativen anstatt zum Praktischen.
Das Problem war nicht, dass es keine Männer wie ihn gab. Im Gegenteil, es wimmelte auf der Welt entschieden vor charmanten Exzentrikern, die morgens nicht aus dem Bett kamen. Man konnte sie sich leichter einfangen als eine Grippe und wurde stets enttäuscht. Ihre charmante Erfolglosigkeit konnte sich jedoch niemals mit der heroischen, sanften Nutzlosigkeit von Rufus Hasty messen.
Rufas erste romantische Enttäuschung war schrecklich gewesen. So herzzerreißend und demütigend, dass sie, auch noch drei Jahre später, nichts mehr mit der Liebe zu tun haben wollte.
Und nicht nur ich, dachte sie – seht euch auch die anderen an.
Lydia war nach dem Scheitern einer absurden Ehe mit ihrer kleinen Tochter wieder nach Hause gekommen. Nancy war gegenwärtig wahnsinnig in den Sohn des Doktors verliebt, der in einem Wohnwagen unten im Garten seiner Eltern lebte. Selena ging noch zur Schule und war zu jung, um wirklich tiefe Enttäuschungen erlebt zu haben, aber auch sie hatte bereits einen entschiedenen Geschmack für gut aussehende Loser entwickelt. Es war nur eine Frage der Zeit.
Lydia sagte, wie irgendjemand es stets tat: »Wenn wir nur etwas tun könnten!«
Nancy nahm sich einen weiteren Keks. »Nun, wir können nichts tun. Es sei denn, wir heiraten alle Geld.«
»Das wäre vielleicht möglich«, erklärte Selena.
»Was, noch vor der Auktion?« Rufa lachte. »Wir kennen nicht einmal jemand Reichen. Ganz zu schweigen von jemand ausreichend Reichem, dass er die Schulden des großen Mannes bezahlen und das Haus retten könnte.«
Selena legte ihr Buch hin. »Aber es ist immerhin eine Möglichkeit.«
»Ich habe den einzigen verfügbaren Mann in Meilen Umkreis«, sagte Lydia wehmütig, »und seht ihn euch nur an. Wir lernen nie jemand kennen.«
»Das kannst du laut sagen«, stimmte Nancy ihr zu. »Dieser Ort ist wie Brigadoon – Gott allein weiß, welches Jahrhundert sie dort draußen schreiben. Ich muss irgendwann einmal nachsehen, ob sie diese schrecklichen Getreidegesetze inzwischen außer Kraft gesetzt haben.«
»Eigentlich …«, begann Rufa. Ihr Blick war nachdenklich auf eine Flammenzunge gerichtet, die aus den roten Kohlen schoss.
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