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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rannten jetzt die Allee entlang, um ihnen zu helfen. »Das haben Mütter so an sich. Und auf jeden Fall sieht sie, daß ich in jeder Lage bereit bin, ihrer Tochter meine Liebe zu gestehen.«
    Er umfaßte plötzlich Grazinas Kopf und küßte sie. Die Pelzkapuze war von ihrem Haar geglitten. Gregor hatte seine Hände in die blonde, seidige Fülle vergraben und ließ Grazina erst los, als sie mit den Fäusten gegen seine Brust trommelte.
    »Du bist verrückt!« sagte sie atemlos. »Du bist total verrückt, Gregorij! Vor allen Leuten …«
    »Jeder soll sehen, wie ich dich liebe!«
    »Sie werden es früh genug erfahren! Oder ist es in Preußen Sitte, so etwas auf der Straße auszutragen? Wenn Papa hier wäre, hätte er jetzt einen Grund, sich mit dir zu duellieren.«
    »Er kommt in einer Woche nach!« Gregor ließ Grazina los, seine Brust brannte. »Du hast Kraft in den Fäusten«, sagte er anerkennend und griff nach ihren Händen. »Ist das wenigstens erlaubt?« Er beugte sich und küßte ihre Hände.
    »Im höchsten Falle!« Sie drehte sich um. Der Kutscher hatte die Pferde beruhigt, ein Diener des Gutes half ihm dabei, die anderen nahmen das Gepäck, die Wäsche und richteten den Schlitten wieder auf die Kufen.
    »Die Hölle soll aufbrechen!« schrie der Kutscher, als er den Schaden übersah. »O ihr verlausten Säue!«
    Er meinte damit die armen Pferde, die Wärme, Heu und einen Trog mit Wasser witterten.
    »Halt dein Maul!« sagte einer der Diener zu dem Fluchenden. »Kerl, nimm deine Mütze ab! Die Herrin beobachtet dich.«
    Der Kutscher schielte zu Grazina und Gregor hinüber, riß seine Fellmütze vom Kopf und verbeugte sich tief.
    »Verübeln Sie es den Gäulchen nicht, Hochwohlgeboren!« sagte er mit pfeifendem Atem. Die Wut kochte noch in ihm. »Sie haben mich selbst überrascht, die Tierchen. Seit dreißig Jahren lenke ich Pferdchen, und noch nie haben mich welche umgekippt! Aber diese siebenmal geschwänzten Teufel, diese schielenden Bastarde, sie …« Er verbeugte sich von neuem tief, verschluckte weitere Flüche und drehte die Fellkappe in den Händen. »Schlagen Sie mich, Hochwohlgeboren, es war meine Schuld …«
    »Du bekommst einen neuen Schlitten, Kutscher«, sagte Gregor. »Du kannst dir in Petersburg den schönsten aussuchen. Ich bezahle ihn.«
    »Gott segne Euer Hochwohlgeboren!« schrie der Kutscher. Er ergriff, ehe es Gregor verhindern konnte, die rechte Hand des Offiziers und küßte sie schmatzend. Dann sprang er zurück, umarmte seine unruhigen Pferde und schrie ihnen gegen die Köpfe: »Habt ihr das gehört? Der Herr kauft uns den schönsten Schlitten! Laßt euch umarmen, meine braven Kinderchen …«
    »Es war meine Schuld, Gregorij«, sagte da Grazina. »Ich bin direkt in euren Weg hineingelaufen. Ich war wie betrunken vor Freude … Er bekommt den Schlitten von uns.«
    »Wir werden ihn auslosen.« Gregor machte eine knappe Verbeugung. »Ist es wenigstens gestattet, der Comtesse auf dem Rückweg den Arm anzubieten?«
    »Es ist!« Sie hakte sich bei ihm ein und sah ihn forschend an. »Du machst dich lustig über uns, Gregorij. Hier ist nicht Petersburg mit seinen freizügigen Salons und seiner französischen Lebensart. Auf dem Land hat sich in Rußland in Jahrhunderten nichts an den alten Sitten geändert.«
    »Dann wurde es höchste Zeit, daß ich gekommen bin!« Gregor lachte und zog Grazina nah an sich. Sie ließ es zu, obwohl sie ihre Mutter neben der etwas zur Seite gerafften Gardine im Roten Salon erblickte.
    »Du bist wirklich der Schrecken deiner Botschaft!« sagte Grazina und stülpte die Pelzkapuze wieder über ihr langes, blondes Haar. »Mein Vater hatte recht: Einen glühenden Eisentopf wegzutragen, ist leichter, als dir Manieren beizubringen …«
    Zum erstenmal sah Gregor von Puttlach die Gräfin Michejew aus der Nähe. Beim Silvesterball des Zaren war sie von Hofdamen umlagert gewesen, weil die neue Freundschaft des Generals Michejew mit dem allmächtigen Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch die Sensation des Abends war.
    Konnte man bei Nikolai Nikolajewitsch überhaupt von Freunden sprechen? Er hatte sonst keine. Er war ein langer dürrer Menschenfeind, der sich selbst aufrieb zwischen der Macht, Oberbefehlshaber des russischen Heeres zu sein, und seinem Haß gegen den Westen. Er kämpfte offen oder er kämpfte mit Intrigen gegen alles, was nicht seiner Meinung war – und dazu gehörte leider auch seine eigene Frau. Großfürstin Stana hatte ihrem Mann den schlimmsten

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