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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beiden Zurückbleibenden zu und wiederholte: »Wie gesagt, wenn ich das Zeichen gebe – aufhängen!«
    Vom Hügel bis zum Ufer des Tobol waren es etwa dreihundert Meter. Schönes flaches Steppenland mit ein paar Büschen darauf. Kein Hinterhalt, dachten die Blatnjaki.
    »Jetzt marschieren sie zum Fluß!« flüsterte Tujan in seinem Busch. Neben ihm stand steif, von Zweigen und Heckenrosen umgeben, Tante Wanda und knurrte leise wie ein böser Hofhund.
    »Vorwärts!« sagte Jerschow gedämpft. »Aber ganz langsam!«
    Langsam bewegten sich die vier vorderen Büsche den Abhang hinauf durch den Wald. Es war mühsam, sie kamen nur schwer vorwärts, mußten wirkliche Baumgruppen umgehen und glitten ein paarmal aus, während Luschek, Tschugarin und die Bauern wieder zum Tobol zurückschlichen, um den Banditen den Weg abzuschneiden.
    Die beiden bei Grazina zurückgebliebenen Blatnjaki rauchten sorglos. Sie hatten alles vorbereitet. Neben Grazina, an einem kräftigen Ast, hing die Schlaufe eines Strickes, an dem man sie aufhängen wollte.
    »Macht es euch wirklich Spaß, einen Menschen zu ermorden?« fragte Grazina. Ihre Stimme zitterte nicht die Spur.
    »Spaß kann man es nicht nennen«, sagte der eine. »Hat ein Bauer Spaß daran, wenn er einem Huhn den Kopf abschlägt? Es muß sein – es gehört zum Leben! Bei uns gehört es auch dazu …«
    »Ihr habt bisher nichts getan als getötet?«
    »Irrtum, Hochwohlgeboren!« Der Halunke rauchte nervös. »Ich habe nur einen Steuereinnehmer mit einem Lederriemen aus meinem Haus gejagt. Ein flotter Kerl – er machte meiner Frau den Vorschlag, die Hälfte der Steuern im Stroh abzuzahlen. Wie sie sich gerade auszog, kam ich vom Feld. Hei, ist der Beamte gelaufen! Was brachte es ein? Fünfzehn Jahre Zwangsarbeit! Ist das Gerechtigkeit?«
    »Ich war immer ein ehrlicher Mensch«, erzählte der andere Blatnjak. »Die Bücher führte ich in einer Ölmühle. Bis der junge Herr vom Studium zurückkam – mit einem Koffer voller Schuldscheine. Er kommt zu mir, sagt, hier schreibst du ein: Einnahme fünfhundert Rubel, die anderen dreihundert – die gibst du mir! Er war der Herr, ich habe es getan. Immer wieder, bis der alte Herr kontrollierte. Und was sagt da der junge Herr? Dieser Stepan ist mir schon immer aufgefallen, er hat einen so verschlagenen Blick! Wer glaubt einem kleinen Buchhalter, auch wenn er noch so sehr jammert? Zehn Jahre Zwangsarbeit! So ist das Leben.« Er blickte auf die Schlaufe und hob die Schultern. »Betet, Hochwohlgeboren! Das kann ein Hühnchen nicht, bevor man es köpft …«
    In diesem Augenblick hatten die vier Büsche die Kuppe des Hügels erreicht. Gregor sah Grazina zuerst und zog seine Pistole aus dem Hemd, wo er sie auf der nackten Brust getragen hatte. Neben ihm raschelte Tujan, der Priester, und Gregor sah, wie sich aus dessen Busch ebenfalls der Lauf einer langen Reiterpistole schob. Jerschow schlich noch ein paar Meter weiter vor, ganz langsam und unmerklich. Ihm folgte Tante Wanda, ein ziemlich schwankender Busch, obwohl kein Wind wehte.
    Man hat schon oft darüber diskutiert, wie schnell man durch Kleinigkeiten eine Schlacht verlieren kann.
    Die Kleinigkeit in diesem Fall war die Nase des Bauern Risamat Viktorowitsch Ripinski. Es ließ sich nicht vermeiden, es ließ sich nicht zurückhalten, nicht mit Luftanhalten, nicht mit Augenverdrehen, nicht mit stummen Gebeten zu allen Heiligen: Risamat atmete aus seinem Busch die Blütenpollen irgendeiner Blume ein, und das juckte entsetzlich in der Nase. Kurzum: Risamat Viktorowitsch mußte niesen!
    Hat man schon einen Busch auf freier Wildbahn gesehen, der niesen kann? Der losprustet und sich dabei nach vorn biegt, als drücke ein wilder Sturm ihn nieder? Auch in Rußland, an viele Wunder gewöhnt, ist das verwunderlich.
    Der größte Schicksalsschlag allerdings war, daß Risamat genau in dem Augenblick niesen mußte, als die Gruppe der Blatnjaki langsam an ihm vorbeiritt. »Es war nicht mehr zu halten, Brüder!« berichtete Ripinski später. »Warum muß ich auch einen Busch mit Blumen tragen, die mich zum Niesen bringen. Schicksal war's!«
    Die Verbrecher jedenfalls rissen ihre Pferde herum, sprengten auseinander, und was dann geschah, war kein Ruhmesblatt für Nowo Prassna. Zwar schossen hier und da die Bauern aus ihren Büschen, aber die Halunken hatten es einfacher, sie ritten die Bauern mit Gejohle um. Der Anführer galoppierte zum Hügel zurück und brüllte: »Aufhängen! Schnell!« – doch in dem

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