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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zwei Arme teilte. Jerschow zeigte auf die Sandinsel und lenkte das Boot darauf zu. »Dort werden wir uns verschanzen«, sagte er, »und in aller Ruhe nachdenken. Es hat keinen Sinn, weiter den Fluß hinabzuschwimmen.«
    Sie stießen auf Sand, sprangen aus dem Boot, zogen es aus dem Wasser, kippten es um und gingen dahinter in Deckung. Am Ufer heulten die Verbrecher siegessicher auf, sprangen von den Pferden und stiegen bis zum Fluß hinunter. Das zweite Boot kam heran, schwenkte aber vor der Sandbank ab und wurde zum anderen Ufer getrieben. Dort sprangen die Verbrecher heraus, pflockten das Boot an und schwangen lachend die ihnen gelieferten Waffen.
    »Jetzt sind wir eingekreist«, sagte Gregor, kroch auf die andere Seite der Sandbank und wühlte sich eine flache Kuhle in den lockeren Boden. »Und sie haben genügend Waffen!«
    »Aber sie müssen durch das Wasser kommen, und wer schwimmt, kann nicht schießen.«
    »Sie werden uns mit einem Sperrfeuer niederhalten«, sagte Gregor heiser, »während ein Teil von ihnen zu uns schwimmt. Und selbst wenn sie gar nichts unternehmen – wir haben nichts zu essen.«
    »Nichts zu essen? Der Tobol ist voller Fische! Man kann sie auch roh essen!«
    Am Ufer hatten die Blatnjaki jetzt ein Feuer entfacht und führten die Pferde an den Fluß, damit sie saufen konnten. Andere saßen auf dem Bootsrand und zerteilten Brot, schnitten eine lange Blutwurst auf und begannen zu essen.
    »Gebt es auf!« brüllte der Anführer zur Sandbank hinüber. »Wir hungern euch aus! Niemand wird euch helfen! Die Hälfte von uns reitet morgen nach Nowo Prassna zurück und macht ein lustiges Feuerchen! Ihr habt uns betrogen – und das muß noch zwischen uns ausgetragen werden!«
    »Ich hoffe auf Tante Wanda«, sagte Grazina. Sie saß im Sand, den Rücken gegen den umgestülpten Kahn gelehnt. »Sie wird alles versuchen …«
    »Gegen Angst wird auch sie vergeblich anrennen. Sie kann einen Berg von Goldrubeln versprechen … keiner der Bauern wird sich dafür totschießen lassen.«
    »Luschek und Tschugarin sind auch noch da …«, meinte Gregor zaghaft.
    »Gegen diese Mörder, die nichts zu verlieren haben?«
    »Wenn ihr betet, wird's gelingen«, sagte Tujan unvermittelt. Er sprang auf und trat aus der Deckung des Bootes heraus.
    »Zurück! Bist du verrückt, Semjon Lukanowitsch?« schrie Jerschow.
    »Es geht darum, daß dein Lenin hier nicht helfen kann!« sagte Tujan laut. »Aber die Heiligen werden es!«
    Am Ufer schrie jemand auf. Jerschow preßte die Hände an seinen Kopf. »Leg dich hin!« brüllte er Tujan an. »Sie haben Gewehre …«
    Es war, als habe Tujan nur darauf gewartet. Von beiden Ufern krachte es mehrmals. Tujan warf beide Arme hoch, schwankte, fiel vornüber in den Fluß und wurde sofort mit der Strömung weggetrieben. Erstarrt, von Entsetzen wie gelähmt, blickte Jerschow in den Fluß. »Er muß verrückt geworden sein«, murmelte er. »Ganz plötzlich verrückt! Ich … ich hatte ihn gern – auch wenn er ein Pope war!«
    Gregor setzte sich neben Grazina. »Wir wissen jedenfalls jetzt, daß sie uns jederzeit erwischen können, wenn wir die Deckung verlassen. Sie sagten vorhin, man könne auch rohe Fische essen. Bestimmt … Man muß sie nur vorher fangen können.«
    »Hoffen wir auf eine dunkle Nacht«, sagte Jerschow. Er war von Tujans Abgang noch immer so erschüttert, daß ihm die Stimme kaum gehorchte. »Wir können überhaupt nur hoffen, daß irgend etwas geschieht, was uns hilft.«
    Und es geschah wirklich etwas.
    Es traf die Soldatenfrau Jewdokija Surabjewa, deren tapferer Mann bei Tannenberg in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war. Die brave Jewdokija schlief auf ihrem Strohbett, als sie durch ein heftiges Klopfen am Fenster geweckt wurde. Sie sprang auf, nahm einen dicken Knüppel mit einer eisernen Spitze, lief zur Tür und riß sie auf. In der Nacht hat keiner zu klopfen, schon gar nicht bei einer ehrbaren Soldatenfrau, die ziemlich einsam am Fluß wohnt, weil ihr Mann ein Fischer ist. Da man sie sofort mit schmutzigen Anträgen belästigt hatte, als ihr Mann mutig in den Krieg zog, und vor allem die alten Kerle der Umgebung ganz wild nach ihr waren, gab es für sie keinen Zweifel, daß wieder einer draußen stand und an seiner Hose nestelte.
    Sie riß also die Tür auf, hob den Stock, erstarrte dann und stieß einen Schrei aus. Vor dem Haus stand ein völlig nackter Mann, triefend vor Wasser, mit einem langen schwarzen Bart, den man auswringen konnte, hob die rechte

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