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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Namen?«
    »Wir haben vor einer Stunde von Ihnen gesprochen.«
    »Bei Tujan, dem Popen?«
    »Dann sind Sie der geheimnisvolle Agitator, der den Umkreis in Aufregung versetzt?« fragte Grazina.
    »Wie die Zufälle so spielen!« Jerschow schob die schwarze Augenklappe über die Stirn. Sie war nur eine Tarnung, seine Augen waren gesund und feurig wie eh und je. »Ich bekam den Befehl, den Bezirk Tjumen - Tobolsk zu übernehmen. Die Parteizentrale betrachtet dieses Gebiet als besonders wichtig für die Revolution. Haben Sie Interesse, eine Versammlung von uns zu besuchen?«
    »Und wenn wir Sie verraten?« fragte Gregor.
    »Dann müßte mich meine Menschenkenntnis verlassen haben.« Jerschow schüttelte den Kopf. »Es ist sowieso ein Jammer, daß Sie zu der Klasse zählen, die wir vernichten müssen. Verlassen Sie Rußland – das ist der Rat eines Freundes. Versuchen Sie, mit der Transsibirischen Bahn das Japanische Meer zu erreichen und ein Schiff nach Amerika zu bekommen. Oder gehen Sie nach Persien, und warten Sie dort die neue Zeit ab. Ich kann sie weiterreichen – von Freund zu Freund! Wir haben schon überall unsere Stützpunkte.«
    »Ich kann Rußland nicht verlassen«, sagte Grazina leise.
    »Vielleicht kann ich Sie doch noch überzeugen!« Jerschow wollte gehen. »Wir kommen am Sonntagabend zusammen, im Wald, drei Werst hinter Pestrawka. Wir haben dort einen großen Erdbunker gegraben. Am Waldrand wird der Genosse Gennadi stehen. Er leitet euch weiter …« Er gab Gregor beide Hände. »Bitte, kommen Sie!«
    »Vielleicht.« Gregor schwang sich auf sein Pferd. »Aber rechnen Sie damit, daß ich eine Gegenrede halte!«
    »Sie bleiben immer mein Freund!« sagte Jerschow betont. »Sie haben ein Herz für die Unterdrückten – das allein ist maßgebend!«
    Es wurde nichts aus der revolutionären Versammlung.
    Zwar war alles vorbereitet, Tujan hatte seine kirchliche Streitmacht unter das Kreuz gerufen und wollte genau zu dem Zeitpunkt, wo sich die Bolschewiki im Wald trafen, einen Bittgottesdienst veranstalten, nur um zu sehen, wer in die Kirche kam oder zum Walde schlich – Jerschow hatte alle ermahnt, gerade an diesem Abend vollzählig zu sein – und als alles in Aufregung war, verschwand Grazina Wladimirowna.
    Sie verschwand spurlos, mitsamt ihrem Pferd. Sie war am Sonnabendmorgen zur Kirche geritten und kam dort nie an. Gregor konnte sie nicht begleiten, er mußte sich um Luschek kümmern, den man überfallen hatte. Hinter dem Haus der schönen Latifa, beim Kartoffelausbuddeln, überfiel ihn irgendein eifersüchtiger Kerl und schlug ihm einen Knüppel über den Kopf. Wanda Timofejewna holte Gregor von Latifa weg. Zum erstenmal wirkte sie verstört.
    »Grazina ist verschwunden!« rief sie mit ihrer Donnerstimme. »Ist einfach nicht in Pestrawka angekommen! Vier Suchtrupps sind schon unterwegs. Los, Söhnchen, wir reiten mit dem fünften. Wie kann hier ein Mensch samt Pferd verschwinden? Unbegreiflich!«
    Es wurde eine große Suche; man kämmte die Wälder durch, fuhr den Tobol hinab, durchstöberte alle Rübenmieten und Heulager – alles umsonst. Sie verhörten jeden: Tujan und Jerschow, einträchtig nebeneinander.
    »Gott erschlage euch mit seinem Blitz!« schrie der Pope die Bauern an, bevor er mit den Fragen begann. »Sag die Wahrheit!«
    Und Jerschow brüllte bei seinen Genossen: »Ich hänge euch mit dem Kopf nach unten an den Baum, mit Honig beschmiert, und lasse die Bienen frei, wenn ihr das Maul nicht aufmacht!«
    Ein paar Frauen hatten Grazina noch gesehen, bevor sie den Weg zum Wald einschlug, aber danach endete jede Spur. Was man fand, waren ein paar Fetzen Papier und die abgenagten Knochen eines Kaninchens.
    »Hier waren Fremde!« sagte Tujan, der Pope. »Sie haben Fleisch gebraten. Wer von uns tut das schon? Wir haben alle unseren Herd.«
    Wanda Timofejewna verkündete, daß sie tausend Goldrubel demjenigen gebe, der Grazina zurückbringe. Es schien jetzt klar zu sein, daß die Fremden sie mitgenommen hatten.
    »Sie kommen nicht weit!« meinte Jerschow dunkel und legte Gregor tröstend die Hand auf die Schulter. »Ich habe alle Genossen im weiten Umkreis alarmiert.«
    Als die Nacht hereingebrochen war und um das Herrenhaus die Lagerfeuer der Suchmannschaften loderten, näherte sich ein Reiter auf einem kleinen struppigen Pferd. Er hielt einen Knüppel hoch über seinem Kopf und schwenkte daran ein weißes Tuch. Jerschow und der Pope kamen auf ihn zu, als der Reiter in sicherer Entfernung vor den

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