Liebe in Zartbitter
verschlafen?“
Würtz will einfach nicht glauben, was ihm Fritze da auftischt.
„Kommen Sie!“, fordert er den Alten kurz entschlossen auf.
Gemeinsam fahren sie in den dritten Stock hinunter. Diesmal ist es der Reiseleiter, der heftig an ein Hotelzimmer klopft.
„Fräulein Bauer, machen Sie auf... Melden Sie sich wenigstens, wenn Sie gerade im Bad sein sollten.“
Beide warten mit angehaltenem Atem. Würtz versucht es ein zweites Mal. Als er daraufhin noch immer keine Antwort erhält, gibt er es auf und begibt sich mit Fritze nach unten.
Im Foyer erwischen sie gerade noch den Nachtportier, der gähnend das Gebäude verlassen will. Er wiederholt bereitwillig in wenigen Sätzen, was er bereits dem Busfahrer mitgeteilt hat.
„Ich habe Mademoiselle Boyer nicht zurückkommen sehen.“, schließt er und will sich auf den Heimweg machen.
Würtz stutzt und hält ihn zurück.
„Wir haben Sie nach Fräulein B a u e r gefragt.“
Er betont den Namen Bauer ganz besonders.
„Ja, Boyer, das habe ich doch gesagt.“
Der Mann schaut irritiert.
Der Reiseleiter versucht es anders.
„Gibt es an der Rezeption einen Generalschlüssel für alle Zimmer?“
Der Nachtportier nickt.
„Wenden Sie sich vertrauensvoll an Carlo, der hilft Ihnen gern weiter.“
Nachdem Würtz sein Anliegen erklärt hat, fährt Carlo mit den beiden Männern hinauf in den dritten Stock. Er ist von seinen Gästen eine Menge gewöhnt und lässt sich deshalb nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Der Anblick jedoch, der sich ihm bietet, als er Zimmer 313 aufgeschlossen hat, haut ihn regelrecht um.
„Mon Dieu, was ist denn hier passiert?“, fragt er fassungslos.
Die ihn begleitenden Männer stehen wie erstarrt.
Das hübsche Einzelzimmer sieht aus, als wenn eine Herde Büffel hindurch getrampelt wäre. Die Bettdecke ist zerwühlt, die Matratze herausgerissen, auf dem Teppich liegt ein leerer Reisekoffer achtlos herum. Überall finden sich verstreute Kleidungsstücke. Eine Blumenvase, in der eine langstielige Rose steckt, ist umgefallen, das Wasser auf den Boden getropft. Selbst vor dem hoteleigenen Briefpapier haben die Vandalen nicht halt gemacht, es liegt teils zerknüllt, teils zerrissen in Wohnraum und Bad herum.
Von Lena Bauer finden sie nicht die geringste Spur.
„Sach ick doch, der Kleenen is wat passiert“, jammert Fritze beim Anblick der Verwüstung erneut los. „Und det is meene Schuld.“
Carlos hat seine stoische Ruhe bereits zurückerlangt.
„Ich rufe die Polizei, dann sehen wir weiter“, sagt er und drängt die beiden, nichts zu berühren und das Zimmer zu verlassen.
„Im Frühstücksraum kein Wort über den Vorfall“, ordnet Würtz an.
Fritze nickt ergeben.
„Und womit beschäftjen wa die Touristen heute?“
„Können Sie mir einen Ersatzbus beschaffen? Möglichst sofort und inklusive Programm und deutschsprachigem Reiseleiter. Ich muss mich um das Verschwinden von Fräulein Bauer kümmern“, wendet sich Hendrik Würtz an den Portier
„Aber selbstverständlich, Monsieur! Mit oder ohne Fahrer. Und: Wie lange benötigen Sie ihn?“
Es gibt nichts, was Carlo nicht erledigen oder beschaffen kann. Nichts, was er nicht kennt oder wofür er keinen Ratschlag weiß. Dafür liebt ihn die Kundschaft, dafür wird er gut bezahlt.
XXVIII.
Ein Stöhnen direkt an meinem Ohr reißt mich aus dem unruhigen Halbschlaf, in den ich gefallen sein muss.
Ich schrecke hoch, brauche einen Moment, um mich zu orientieren.
Dies ist nicht mein Hotelbett, und ich habe auch nicht schlecht geträumt. Es ist real, dass ich, Lena Bauer, mit gefesselten Händen und einem zugeklebten Mund im Kofferraum von Fritzes Reisebus gefangen bin und neben einem Körper liege, der anfangs reglos, sich nun zu bewegen beginnt.
„Aie, ma tête!“ (Oh weh, mein Kopf!)
Ein weiteres Stöhnen folgt.
„Au diable, qu'est-ce qui m'est arrivé? Où suis-je?“ (Zum Teufel, was ist mit mir geschehen? Wo bin ich?)
Es ist ein Mann, damit habe ich recht gehabt. Ein Franzose oder ein Belgier. Jedenfalls spricht er französisch und ich verstehe wieder einmal kein Wort.
Als eine Hand nach mir tastet, rücke ich, so gut es geht, beiseite.
„Qui est là? Répondez-moi!“ (Wer ist hier? Antworten Sie!)
Was hat er gesagt? Obwohl ich nicht mal ahne, was er von sich gibt, würde ich ihm gern antworten, doch mit zugeklebtem Mund geht das schlecht. Er hat die Hände frei, könnte mich befreien.
Ich rücke wieder näher an ihn heran, richte mich
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