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Liebe in Zartbitter

Liebe in Zartbitter

Titel: Liebe in Zartbitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Dorn
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einfacher Abgeordneter, aber so etwas habe ich bisher noch nie erlebt. Und jetzt entschuldigen Sie mich!“
    Er will weiterstürmen, doch sein Gesprächspartner hält ihn am Ärmel zurück.
    „Nicht möglich. Kann denn die Anhörung ohne ihn nicht stattfinden?“
    „Doch, doch“, antwortet der Assistent hastig, wobei hektische Röte sein Gesicht überzieht. „Als Monsieur de Marville um zehn Uhr noch immer nicht eingetroffen war und ich ihn weder in seiner Dienstwohnung noch über Handy erreichen konnte, habe ich vorsichtshalber seinen Stellvertreter informiert. Das hat dem zwar gar nicht gepasst, aber im Notfall wird er die Gesprächsleitung übernehmen.“
    Mit einem Aufstöhnen macht er sich los. „Und jetzt lassen Sie mich, ich habe noch so viel zu erledigen bis 14 Uhr – die Anwesenheitsliste, die Einweisung der Dolmetscher – und jetzt bin ich auf dem Weg, die Referentin vom Empfang abzuholen. Mit Begleitung, die nicht angemeldet war. Das muss ich nun auch noch regeln!“
    Er stürzt auf den nächstgelegenen Fahrstuhl zu.
    Entgeistert starrt Christian Tulip dem Assistenten hinterher. Die Referentin hier im Haus? Das ist unmöglich. Davon muss er sich selbst überzeugen.
    Mit weichen Knien begibt er sich ebenfalls zum Aufzug.
     
    „Merde!“ Nach dem Anruf seines Kontaktmannes hat Jean-Paul Dumont endgültig die Nase voll. Er ballt die Fäuste, möchte am liebsten alles kurz und klein schlagen. Niemand würde ihn jetzt davon abhalten, wie Christian gestern Nacht im Hotel, als sie vergeblich nach den Vortragsunterlagen gesucht haben. 
    In was haben sich Christian und er da bloß hineingeritten? Die Weitergabe von halböffentlichen Dokumenten für ein kleines Honorar ist ein Kavaliersdelikt gegen das, was sie jetzt auf dem Kerbholz haben: versuchter Raub, Körperverletzung, Entführung, Einbruch, zählt er insgeheim für sich auf. Und nun, wo es an allen Ecken und Enden richtig schiefläuft,  sollen sie die Sache einfach abblasen, so tun, als ob nichts gewesen wäre?
    Er lacht bitter auf. Ja, so läuft es in der großen Politik. Da haben sich Christians Kanzlerin und sein Ex-Präsident blitzschnell über Mittelsmänner verständigt, und der neue Präsident hat den seit Monaten zurückliegenden, gewagten Vorstoß der beiden in Sachen Euro-Rettungsschirm im Nachhinein sanktioniert, weil er die bilateralen Beziehungen beider Länder nicht gefährden will.
    Wie hat sein Kontaktmann so schön gesagt: Damit bestünde keine Notwendigkeit mehr, die bis dato brisanten Zahlen zu verschleiern, und die kleine Referentin aus dem Bundesministerium könne ihren Vortrag ruhig halten.
    Wer weiß besser als er, dass sie das gegenwärtig nicht kann.
    Jean-Paul schaut auf die Uhr. Was wird es für eine Aufregung geben, wenn in zwei Stunden die Anhörung beginnt und Mademoiselle Boyer nicht auftaucht – genauso wenig wie der verantwortliche Organisator, der bestimmt schon seit einigen Stunden vermisst wird.
    Eilig schlüpft der junge Angestellte in Hemd und Anzug, bindet mit fahrigen Fingern seinen Schlips.
    Obwohl es sein freier Tag ist, wird er schnellstens ins Parlament fahren und dort mit Christian besprechen, wie der angerichtete Schaden wenigstens zu begrenzen ist.
    Um Aufsehen zu vermeiden, können sie frühestens nach Eintritt der Dunkelheit nach dem Reisebus und dessen unfreiwilligen blinden Passagieren sehen.
    „Merde!“, flucht Jean- Paul noch einmal, bevor er seine kleine Wohnung in der Oberstadt verlässt.

XXX.
     
    „Ich trinke auf den bezaubernden Abend, Mademoiselle.“
    André de Marvill hebt sein Weinglas, sein Gast, tut es ihm nach. Bevor sie trinken, lauschen beide dem angenehmen Klang  des aneinanderstoßenden Kristalls.
    So wohl hat sich der Politiker lange nicht in der Gesellschaft einer Frau gefühlt.  Gleich nachdem sie alles Fachliche besprochen hatten, ist er mit Mademoiselle Boyer im Restaurant eingekehrt. Sie haben angeregt über Gott und die Welt geplaudert. Nun möchte er das Ende noch ein wenig hinausschieben und gießt nach.  Dabei verspürt er noch immer einen wahnsinnigen Durst, den der Wein nicht zu löschen vermag. Seine Begleiterin, klein und schlank, hält ihm lächelnd mit einem Scherzwort die Wasserflasche hin. Als er zugreifen will, weicht sie ihm aus und enteilt. Er folgt ihr und stellt sie in einer dunklen Ecke. Er sieht ihren kupferfarben schimmernden Haarschopf, ein Paar bebende Lippen. Doch als er sie küssen will, schlägt sie ihm die Wasserflasche über den Kopf. Er

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