Liebe ist ein Kleid aus Feuer
habe Sigmar deshalb nicht geheiratet, weil ich …«
Sein ausgestreckter Arm brachte sie zum Schweigen.
»Wir müssen jetzt sehr stark sein«, sagte Raymond. »Wir alle beide, du ebenso wie ich. Und einander vertrauen, auch wenn es aussieht, als würde das Schicksal sich gegen uns wenden. Versprichst du mir das, Eila?«
Sie nickte mit bangem Herzen.
»Ich muss es hören«, verlangte er. »Sprich es aus, damit ich meine Ruhe halbwegs wieder finde!«
»Ich verspreche es«, sagte sie leise, »auch wenn ich es noch nicht verstehe. Dir verspreche ich es.«
AUGUST 952
AUGSBURG
Aus Platzmangel waren sie in einer leeren Scheune am Rand der Bischofsstadt untergekommen, was Lenya besonders gefiel, und sie wurde nicht müde, den übrig gebliebenen Heufäden wie munter tanzenden Schmetterlingen hinterherzujagen. Gunna dagegen zog ein finsteres Gesicht. Sie hatte alle Kleider abgelegt, bis auf ihr Unterkleid, um die schwüle Hitze einigermaßen zu ertragen, war deshalb aber nach drinnen verbannt, weil sie sich so schlecht draußen zeigen konnte. Unruhig wanderte sie hin und her, unstet und mürrisch, wusste nichts Rechtes mit sich anzufangen.
Wie sehr sie dieses ständige Herumziehen mit dem königlichen Hof inzwischen hasste! Alles in ihr sehnte sich nach einem festen Zuhause, einem Platz, an dem sie sich ausbreiten und einrichten konnte wie damals in Tilleda oder auf Burg Scharzfels. Dort hatte sie ihre Töpferscheibe zum Singen gebracht, hatte irdene Gefäße geschaffen, für die sich immer mehr Käufer gefunden hätten. Dort war sie trotz der hohen Mauern in gewisser Weise unabhängig und frei gewesen. Sie hätte sich sogar vorstellen können, bis zu ihrem Ende so weiter zu leben – bis in jener unheilvollen Johannisnacht Lando und Eila vom Grafen ertappt worden waren.
Seitdem war alles anders geworden. Sie hatte nicht nur Lando verloren, sondern das Ungeborene in ihrem Leib dazu. Später musste sie der Gewissheit ins Auge sehen, dass dies ihr letztes Kind gewesen war. Sie würde niemals wieder schwanger werden können. Das Einzige, was ihr geblieben war, war Lenya. Hoffentlich stieß nicht auch ihr noch etwas zu!
Eine Sorge, die Gunna manchmal halb wahnsinnig werden ließ.
Algin dagegen schien nach wie vor ganz in seine Arbeit vertieft. Er hatte sich in der Scheune seinen Schraubstock aufgestellt und das Messer eingespannt, das er für den König jüngst geschmiedet hatte. Tage hatte er damit verbracht, mit Punzhammer und Stichel Verzierungen an Parierstange und Knauf anzubringen, ein schmales, wellenförmiges Band, ein Muster, an das er sich zum ersten Mal versucht hatte. Mit dem Ergebnis schien er durchaus zufrieden, legte den Kopf schräg zur Seite, wie immer, wenn etwas für ihn abgeschlossen war. Jetzt warteten noch Schlämmkreide und Rauleder darauf, Messer und Griff die letzte Politur zu verleihen.
»Wie lange müssen wir hier noch eingeschlossen bleiben?«, fragte Gunna. »Ich fühle mich bereits wie ein Stück Vieh, das auf die Schlachtbank wartet!«
»Das musst du schon den König fragen«, erwiderte Algin. »Es heißt, die hohen Herren aus Italien stünden noch aus. Außerdem wartet er auf seinen Sohn. Erst wenn alle am Lech versammelt sind, kann der Reichstag beginnen.« Er warf ihr einen kurzen Blick zu. »Bist du denn mit der Scheide für das Messer fertig?«
»Warten tun wir auch«, sagte sie halblaut. »Auf unseren Sohn. Seit einer halben Ewigkeit. Allerdings ohne Hoffnung auf einen glücklichen Ausgang.« Sie streckte ihm das Gewünschte entgegen. »Sieh selber! An dem dicken Leder hab ich mir mit der Ahle lang genug die Finger zerstochen.«
Algin nickte zufrieden. »Ich wusste ja, dass du mit deinen geschickten Händen auch das besonders schön machen wirst!«
Er benetzte das Rauleder mit Spucke, tat etwas von der Schlämmkreide darauf und begann mit gleichmäßigen Bewegungen die Klinge zu polieren. Währenddessen kam er auf das zurück, was immer noch in der Luft lag.
»Wieso sagst du so etwas? Eila kümmert sich darum, dass wir ihn zurückbekommen. Sie hat es mir versprochen. Vor ein paar Monaten in Italien.«
»Und das glaubst du ihr – dieser verwöhnten Grafentochter?«, fauchte Gunna. »Sie hat nur mit ihm gespielt, von Anfang an.« Aufgebracht begann sie vor ihm herumzufuchteln und hätte dabei beinahe den Kreidetopf zu Boden gefegt. »Was ist seitdem geschehen? Komm schon, sag es mir! Ich will es aus deinem Mund hören.«
»Sie hätte Sigmar heiraten können«, sagte Algin,
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