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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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entwendet habe. Und jeden anderen, der damit in Verbindung gebracht wird, auch. Du musst es für mich verstecken. Und du musst sehr vorsichtig dabei sein. Wirst du das für mich tun?«
    Sie nickte, noch immer stumm.
    »Wir reiten zum Reichstag nach Augsburg«, sagte Raymond. »Der Herzog, die ›Falken‹ und wir mit ihnen: Eila, Oda und ich. Möglich, dass ich von dort nicht mehr zurückkehre. In diesem Fall bitte ich dich, es dem König auszuhändigen – nur dem König persönlich. Versprichst du mir das?«
    Rose nickte abermals, obwohl ihr tausend Fragen durch den Kopf gingen. Auf ihrer Stirn hatte sich eine tiefe Falte gebildet.
    Raymond schien ihr anzusehen, was in ihr vorging.
    »Ich weiß, was ich von dir verlange, und wüsste ich eine andere Lösung, ich wäre nicht hier. Verläuft alles gut, werde ich das Kästchen irgendwann wieder bei dir abholen. Komme ich aber nicht mehr, so weißt du, was du zu tun hast.«
    Roses Augen waren unverwandt auf sein Gesicht gerichtet.
    »Eines noch«, sagte Raymond. »Sag besser niemandem, nicht einmal dem König, woher du es hast. Du kannst so gute Geschichten erzählen. Dir wird sicher etwas Passendes einfallen.«
    »Was ist es?«, fragte Rose. »Willst du es mir verraten?«
    Er zögerte, entschloss sich dann zur Wahrheit.
    »Die Zunge des Täufers«, sagte er. »Das kostbare Reliquiar des Königs ist leer.«

JULI 952
KLOSTER CORVEY
    Bruder Lukas hatte ihm den gegossenen Silberstift gegeben, ohne Fragen zu stellen, als wisse er bereits, was Lando mit diesem vorhatte. Seit Eilas Abreise war der Junge stiller geworden, redete weniger, ohne jedoch in die tumbe Zurückgezogenheit von früher zu verfallen.
    »Du vermisst sie«, hatte der Silberschmied nur einmal geäußert.
    »Immer, wenn sie nicht bei mir ist«, hatte Landos Antwort gelautet. »Erst wenn wir wieder zusammen sind, ist alles gut.«
    Durch Ausschmieden war aus dem Stift inzwischen ein breiteres Band geworden. Lando hämmerte es über dem Dorn des Ambosses rund. Danach passte er die aufeinander stoßenden Enden an und verband sie in der Esse mit Silberlot. Nun folgte das Runden über einem konischen Eisenstab. Wieder einmal war Lando dabei auf sein Augenmaß angewiesen, aber es hatte bereits beim alten Eisenring funktioniert, weshalb sollte es jetzt beim Silber versagen?
    Er war froh, dass es draußen dunkel war und er allein und ungestört arbeiten konnte. Während er feilte und schliff und abermals feilte, begann er zu pfeifen.
    Der Silberring war breit und glänzend, der richtige Schmuck für eine junge Braut. Die Vorstellung, ihn bald schon an Eilas Hand zu stecken, machte ihn glücklich und froh.
    Die sorgfältige Arbeit hatte ihn müde gemacht, aber er konnte und wollte nicht zu Bett gehen, ohne noch das zu erledigen, was Bruder Lukas ihm aufgetragen hatte: das Reliquiar in Leder und Fell zu wickeln, damit es für den langen Ritt nach Augsburg sicher verpackt war. Außerdem konnte es nicht schaden, die kostbare Fracht zu tarnen; deshalb waren die Lappen der äußeren Schicht schmutzig und alt, um ja keinen Verdacht aufkommen zu lassen.
    Die notwendigen Materialien hatte Lando bereits in den vergangenen Tagen zusammengetragen. Jetzt nahm er sich das Reliquiar vor, um es gründlich und sorgfältig Schicht für Schicht darin einzuschlagen – und auf einmal war es ihm, als sehe er es mit ganz neuen Augen, so strahlend und schön war es geworden. Glänzend wie die Sonne und doch demütig-schlicht, geheimnisvoll und dennoch voller Verheißung. Besonders gelungen fand er den mittleren Teil aus geschliffenem Bergkristall, in den der Abt persönlich vor ein paar Tagen während einer Messfeier das Holzkästchen eingepasst hatte.
    Unversehens überkam Lando Neugierde. Natürlich hatten die Brüder im Kloster voller Ehrfurcht von der Zunge des Täufers gesprochen, die nun ein neues, noch würdevolleres Kleid aus Gold und Silber erhalten hatte. Doch wie mochte eine so alte und heilige Reliquie eigentlich aussehen?
    Seine Finger lösten die Haken auf der Rückseite, bevor er noch lange nachgedacht hatte. Das Kästchen herauszunehmen war sehr einfach; es zu öffnen allein von der Vorstellung her um einiges schwieriger. Sollte er zuvor auf die Knie fallen, ein Gebet sprechen oder sich zumindest bekreuzigen? Weil es sich erstaunlich leicht bewerkstelligen ließ, tat er nichts dergleichen.
    Voller Verblüffung starrte Lando in den Bauch des Kästchens – und sah gähnende Leere.

AUGUST 952
AUF DEM WEG NACH AUGSBURG
    Je

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