Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Trotzdem war Eila nach wie vor jede Gelegenheit willkommen, ihr zu entwischen.
Sie schlüpfte in ihr Kleid, band sich den Gürtel um die Hüften und nahm die Schuhe in die Hand, um möglichst wenig Lärm zu machen.
Draußen war Liudolfs Lager gerade am Erwachen. Die ersten Feuer für die Morgensuppe wurden entzündet, die Latrineneimer ausgeleert, die Pferde getränkt und gefüttert. Ein paar Knappen waren bereits verschlafen aus den Zelten gekrochen; von den Rittern zeigte sich noch kaum einer. Sollte sie nach ihrer Mutter sehen, die in einem der kleineren Zelte in der Nähe untergebracht war? Es wäre freilich nur eine Höflichkeitsgeste gewesen. Außerdem gab es Malin, die Tag und Nacht nicht von Odas Seite wich.
Eila ging ein paar schnelle Schritte, bis die Zelte hinter ihr lagen, und schaute dann auf die Stadt, die sich im hellen Morgendunst vor ihr erhob. Von ihrem leicht erhöhten Standort aus war die bischöfliche Feste am besten zu sehen, aber Eila konnte selbst aus dieser Entfernung auch den gedrungenen Bau des neuen Doms erkennen, der hinter seinem Brettergerüst allmählich in die Höhe wuchs. Die Sonne stieg langsam empor, bereit, den Dunst des Morgens zu vertreiben. Alles deutete darauf hin, dass erneut ein glühend heißer Tag anbrach, der Menschen und Tieren einiges abverlangen würde.
Eilas Mund fühlte sich noch immer pelzig an; sie roch den Schweiß der Nacht, der an ihr klebte, und sehnte sich nach einem erfrischenden Bad.
Ob Lando schon in Augsburg angekommen war?
Sie konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen, und doch war ihr gleichzeitig auch bang davor. Bislang hatte sie stets neue Gründe gefunden, um noch nicht mit Raymond zu reden, jetzt aber gab es keine Ausflüchte mehr.
Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und wandte sich wieder den großen Zelten zu, wo die Ritter schliefen. Sie war noch nicht sehr weit gekommen, als ihr Bernhard von Weißenborn entgegentrat.
»Du willst zu deinem Vater, Mädchen?«
Eila nickte knapp. Sie hasste die herablassende Art, die er Frauen gegenüber zeigte. Außerdem konnte sie ihm nicht verzeihen, wie er Rose behandelte. In ihren Augen hatte er eine Tochter wie diese gar nicht verdient.
»Da hättest du früher aufstehen müssen!« Spott glomm in seinen Augen.
»Wo ist er denn?«, sagte Eila.
»Fortgeritten. Mit dem Herzog.« Bernhard verzog beim Reden seinen Mund, ein abfälliger Ausdruck, der ihr missfiel.
»Und wohin?«
»Das musst du die beiden schon selber fragen!« Er wandte sich ab, spuckte in den Staub, ließ sie einfach stehen.
Er ist neidisch, voller Eifersucht und Missgunst, durchfuhr es sie, während sie ihm nachsah. Weil der Herzog keinen Hehl daraus machte, dass Raymond inzwischen sein engster Vertrauter geworden war. Versuchten die beiden gerade, eine Versöhnung mit dem König anzubahnen? Ida hatte erst gestern Abend eine entsprechende Andeutung fallen lassen. Eila hatte schon daran gedacht, der Königin eine heimliche Botschaft zukommen zu lassen, um ihr endlich alles zu erklären und sie gleichzeitig um Verzeihung zu bitten für das, was inzwischen geschehen war. Doch wer war sie schon, um sich ungefragt in komplizierte Angelegenheiten der königlichen Familie einzumischen, in denen sich offensichtlich nicht einmal ihr um vieles erfahrenerer Vater zurechtfand?
Weshalb begann ihr Herz bei diesen Überlegungen auf einmal von Neuem wie wild zu klopfen? Eila musste an die seltsamen Dinge denken, die Raymond erst vor ein paar Tagen zu ihr gesagt hatte. Und an das Versprechen, das sie ihm hatte geben müssen, ohne die Hintergründe zu verstehen.
Die Falken waren zurück. Dieser Satz hatte sich in ihrem Schädel eingenistet, kreiste dort und schien nicht bereit, sich so schnell wieder vertreiben zu lassen.
Vor den Fenstern der bischöflichen Feste sperrten feuchte blaue Tücher das grelle Sonnenlicht aus. Gegen die lastende Schwüle des Augusttages vermochten sie allerdings nur wenig auszurichten. Vor allem Adelheid litt unter der anhaltenden Hitze, klagte über Wasser in den Beinen und über unerträglichen Durst, den auch nicht der verdünnte Met, den man ihr in großen Krügen reichte, löschen konnte. Auf ihrer hohen Stirn glitzerten Schweißperlen, und das Gesicht unter den rotblonden Locken war angespannt.
»Sobald der Reichstag vorbei ist, reiten wir zurück nach Norden«, versuchte Otto ihr Mut zuzusprechen. »Dann werde ich dir zeigen, wie schön mein Reich im Spätsommer ist.«
Sie drehte den Kopf zur Seite,
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