Liebe ist ein Kleid aus Feuer
»und hat es nicht getan. Das ist geschehen. Einen Tag vor der Hochzeit ist sie zu ihrem Vater übergelaufen. Der junge Ritter ist inzwischen ein enger Vertrauter des Königs geworden. Sogar seine Leibgarde hat Otto ihm anvertraut, so sehr schätzt er ihn. Als Sigmars Ehefrau stünde Eila ebenfalls bestens da.«
Langes Reden war nicht seine Art. Aber er musste seiner Frau endlich Bescheid sagen. Er hätte es längst schon tun sollen.
»Weshalb also sollte ich ihr nicht glauben? Außerdem will ihr Rose helfen. Erinnerst du dich nicht mehr an früher? Diese Kleine, die immer nur schreiben wollte, besitzt einen erstaunlichen Dickkopf.«
»Eila ist doch nur ein Weib und kann nichts bewirken! Und die andere, ihre kleine Freundin, ebenso wenig. Du hast dir von ihr Sand in die Augen streuen lassen, Algin. Nichts wird geschehen. Gar nichts! Wir haben Lando für immer verloren. Damit müssen wir uns wohl abfinden.«
Die Messerschneide hatte einen satten Glanz angenommen. Jetzt machte Algin sich nicht minder sorgfältig an die Politur der Gravierungen.
»Eila liebt ihn«, sagte er. »Sie liebt Lando wirklich. Ich habe es in ihren Augen gesehen.« Er deutete auf seine Brust. »Und etwas hier drinnen, das ich nicht genauer benennen kann, sagt mir, dass wir nicht mehr lange warten müssen. Sei nicht so mutlos, Gunna! Du wirst deinen Sohn zurückbekommen.«
»Eine Grafentochter – und der Sohn eines Schmiedes! Wie sollte das jemals zusammengehen?«
Sinnlos, ihr jetzt noch weitere Begründungen entgegenzuhalten. Alles, was er sagte, würde sie nur weiter anstacheln, sie traurig und noch unglücklicher machen. Das Leben ging ohnehin seinen eigenen Weg, davon war er überzeugt. Hielt man Eisen lange genug ins Feuer, wurde es zu Stahl. Eila besaß etwas davon, war hart und widerstandsfähig, konnte aber auch biegsam und nachgiebig sein. Wie die perfekte wurmbunte Klinge vor ihm, die die verschiedensten Eigenschaften des Metalls in sich vereinigte.
Lando hätte eine schlechtere Wahl treffen können. Das würde auch Gunna eines Tages einsehen.
Algin löste das Messer aus seiner Befestigung. Jetzt war es glänzend und makellos. Der König würde seine Freude an ihm haben.
Zehn
AUGUST 952
AUGSBURG
D ie Falken waren zurück. Hoch über ihrem Kopf sah Eila die schlanken, gefiederten Körper ihrer geliebten Jäger, die sich vom Aufwind mühelos tragen ließen. Kein einzelnes Paar, sondern viele, mit ausgebreiteten Schwingen in der warmen Luft segelnd. Niemals zuvor hatte sie diese Raubvögel in solcher Zahl auf einmal gesehen. Plötzlich ließ sich einer von ihnen senkrecht nach unten fallen, weil offenbar der Flügelschlag einer weißen Taube seinen Jagdinstinkt geweckt hatte.
Siv! Vor Aufregung begann Eilas Herz hart gegen die Rippen zu schlagen. Der Vogel im Sturzflug war zweifelsfrei Siv, ihr kleiner Habicht, den sie so lange vermisst hatte. Sivs Krallen bohrten sich in den Taubenleib, der scharfe Schnabel hackte unerbittlich zu – und Eila wand sich in unerträglichen Schmerzen.
Auf einmal war sie selber die Taube, und der Falkenkörper über ihr dunkel und todbringend. Sie würde sterben, hatte nur noch einen allerletzten Atemzug …
Schweißnass, mit einem Schrei, schoss Eila hoch. Erst als ihr Herzschlag sich allmählich beruhigte und die Augen die ungewohnte Umgebung halbwegs wahrnehmen konnten, wurde ihr bewusst, wo sie sich befand.
Zelte, deren staubige Bahnen sich in der Morgenbrise leicht bewegten. Nackter, steiniger Boden. Die abgeschabten, immer wieder geöffneten und verschlossenen Reisetruhen. Zum Glück hatte Ida inzwischen schweren Herzens darauf verzichtet, ihr Frettchenrudel überallhin mitzunehmen, aber es kam Eila vor, als hänge dessen beißender Gestank noch immer in den alten Planen. Sie lagerten vor Augsburg, wo der Reichstag stattfinden sollte, und die Szene von eben, die Eilas Blut hatte gefrieren lassen, war nichts als ein böser Traum gewesen.
Durch einen Vorhang von ihr getrennt, schlief die Herzogin. Eila hörte Idas ungleichmäßige Atemzüge, unterbrochen von kleinen Schnarchlauten, die durchaus lauter ausfallen konnten, wenn sie am Abend zuvor zu viel Wein getrunken hatte. Mittlerweile waren sie zu einer Art stillschweigendem Abkommen zurückgekehrt, das Eila zwar nach wie vor an die Seite der Herzogin band, ihr aber dennoch gewisse Freiheiten einräumte. Seit Eilas Beteiligung an Adelheids waghalsiger Befreiung, wagte Ida offenbar nicht mehr, die Zügel so stramm wie früher anzuziehen.
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