Liebe ist ein Kleid aus Feuer
schien ihm nicht wirklich zuzuhören. Die kleine Hemma, die bislang mit einem Flickenball friedlich in der Ecke gespielt hatte, wurde auf einmal quengelig. Der König hob sie empor, warf sie ein Stück in die Luft, um ihr wieder gute Laune zu machen, aber anstatt zu juchzen, wie er es wohl erwartet hatte, begann sie zu weinen. Er sprach leise auf sie ein, sie aber strampelte wie wild, wollte sich befreien und rammte ihm dabei ein Füßchen in den Magen. Jetzt konnte es ihm gar nicht schnell genug gehen, sie reichlich unsanft zurück auf die Erde zu befördern.
Hemma rannte zu ihrer Mutter, barg den Kopf in Adelsheids Schoß und heulte weiter.
»Sie mag mich nicht.« Der König klang verdrossen. »Sie hat noch immer Angst vor mir, nach all diesen Monaten. Womöglich werde ich niemals ein Vater für sie sein.«
»Sie muss dich erst besser kennen lernen.« Unter Adelheids Augen lagen dunkle Schatten. »Sie versteht ja noch nicht einmal richtig, was du zu ihr sagst. Gib ihr Zeit! Hemma ist noch so klein und hat doch schon so vieles erleben müssen.«
Ottos Blick, mit dem er das rundliche Kind mit den bräunlichen Wangen musterte, blieb kühl. Niemals konnte er die Kleine ansehen, ohne dabei an ihren Vater Lothar zu denken, den jungen König, den Adelheid vor ihm geliebt hatte. Von Kindesbeinen an waren die beiden zusammen, hatten einander vertraut, alles miteinander geteilt, unzertrennlich, bis zu Lothars überraschendem Ende.
Dachte sie noch immer an ihn, während er nun bei ihr lag? Und verglich Adelheid vielleicht sogar insgeheim ihre beiden so unterschiedlichen Ehemänner?
Hätte es Hemma nicht gegeben, die Erinnerung an den Toten wäre womöglich längst am Verblassen. So aber stand Otto das Fleisch gewordene Angedenken seines Vorgängers stets vor Augen.
Er seufzte, spürte, wie die drückende Schwüle auch ihm zusetzte. Wäre nur der neue Sohn endlich geboren! Aber er musste sich weiterhin in Geduld fassen, mindestens noch zwei unerträgliche Monate, wenn sich die Hebamme, die die Königin untersucht und einen voraussichtlichen Geburtstermin festgelegt hatte, nicht getäuscht hatte. Für einen Augenblick schoss ihm durch den Sinn, dass Adelheid ebenso ein weiteres Mädchen gebären könnte.
Dann jedoch schob er diesen Gedanken schnell wieder beiseite. Der Allmächtige musste seine Gebete erhört haben.
Das Reich brauchte einen neuen Prinzen – anstelle des Verräters Liudolf, der mit seinen Anhängern inzwischen die Zelte vor den Toren der Stadt aufgeschlagen hatte und ihm wie eine Spinne vorkam, die ihr Netz gespannt hatte und auf Beute lauerte.
Botschaften zwischen Vater und Sohn waren bereits hin- und hergegangen, Späher hatten versucht, alles auszukundschaften, was von Nutzen sein könnte, aber noch immer zögerte Otto, seine Pläne im Detail kundzutun. Liudolf hatte ihm eine Versöhnung angeboten, eine öffentliche, vor allen Rittern und Ständen. Auf den ersten Blick eine durchaus verlockende Vorstellung, die die Abtrünnigen zur Umkehr veranlassen und des Königs Macht im Reich festigen könnte.
Was aber, wenn Liudolfs Offerte nichts als eine Hinterlist war, einzig und allein zu Ottos Verderben ersonnen?
Sigmar hatte ihn beruhigt und versichert, dass die königliche Wache stets und überall die Augen aufhalten würde. Der blonde Ritter war mutig und furchtlos; er konnte entschlossen handeln, das hatte er bei Adelsheids Flucht zur Genüge bewiesen. Aber war ein so junger Mann wie Sigmar überhaupt in der Lage zu begreifen, welch schwere Sorgen ihn drückten?
Otto seufzte abermals, wünschte sich mehr denn je den vertrauten Freund zur Seite, mit dem er früher solche Dinge stets hatte besprechen können. Denn das war noch etwas, was er Liudolf nicht verzeihen konnte: dass er ihm, neben seinem Trotz und seinem Aufbegehren, auch noch Raimund gestohlen hatte.
Er trat ans Fenster, schob das blaue Tuch zurück und schaute auf die Siedlung hinab. Deutlich mehr Dächer als bei seinem letzten Aufenthalt. Der Ort wuchs ständig, zog Kaufleute und Handwerker von nah und fern an. Besonders seit Bischof Ulrich einen Wall gegen die Einfälle der Steppenreiter hatte errichten lassen, strömten immer mehr Menschen hierher. Glaubten sie vielleicht, die kriegerischen Eindringlinge würden sich von plumpem Mauerwerk und aufgetürmten Strohballen einschüchtern lassen?
Die Turci mussten endgültig geschlagen und für alle Zeiten aus dem Reich gejagt werden. Hätte sein eigener Sohn nicht aus unreifer Machtgier
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