Liebe ist ein Kleid aus Feuer
dich ein wenig besser?«
Ein kleines trockenes Lachen.
»Meine Zeit geht zu Ende«, sagte Oda. »Das kann ich spüren, und ich schere mich nicht darum. Heißt es nicht, erst im Paradies beginne das eigentliche Leben?« Sie ließ den Knochen fallen, an dem sie gerade noch genagt hatte. »Falls ich jemals dessen Pforten durchschreiten werde.«
»Jeder, der an Jesus Christus glaubt, wird von den Toten auferstehen«, erwiderte Eila. »Das sagen die Priester. Außerdem bist du nicht alt. Du wirst noch lange leben.«
Oda warf ihr einen scharfen Blick zu.
»Du weißt nichts von mir«, sagte sie. »Gar nichts. Ich habe Dinge gesagt und getan …« Sie hielt inne. »Aber wozu mit den alten Geschichten anfangen?«, fragte sie müde. »Was geschehen ist, ist geschehen, und niemand kann es jemals wieder rückgängig machen.«
Beide schwiegen. Es war windstill, noch immer warm, aber nicht mehr so drückend wie den ganzen Tag über.
»Du hast Sigmar nicht geheiratet«, sagte Oda unvermittelt. »Eines Tages wirst du das bereuen.«
Sollte sie jetzt von Lando erzählen? Nach einem Seitenblick auf Oda entschloss Eila sich, es nicht zu tun. Der Erste, der es wissen musste, war der graue Wolf. Der Eiskönigin würde sie es ohnehin niemals recht machen können, egal, was sie auch tat.
Da war er wieder, der Name, den sie eigentlich für immer aus ihrem Wortschatz hatte verbannen wollen! Doch selbst an diesem warmen Sommerabend spürte sie fast körperlich die Kühle, die Oda verströmte.
»Wieso hasst du mich eigentlich?« Es war heraus, noch bevor Eila es sich anders überlegen konnte.
»Ich hasse dich nicht.« Die Antwort klang beinahe überrascht.
»Du bist so kalt, so gleichgültig, als sei ich dir immer nur im Weg gewesen vom allerersten bis zum heutigen Tag. Was hab ich dir nur getan? Ich bin doch deine Tochter, dein einziges Kind, das am Leben geblieben ist …«
Oda stand auf und ging schweigend in Richtung der Zelte davon.
Zum Glück war das Gras unter Eilas Füßen warm und lebendig. Zum Glück hörte sie das Wiehern der Pferde, das Prasseln der Feuerstellen, auf denen gerade die letzten Fleischstücke gebraten wurden. Zum Glück konnte sie die Arme um ihren Körper schlingen und sich selber beschützen. Sie musste nicht zugrunde gehen, nur weil ihre Mutter nichts von ihr wissen wollte. Sie durfte leben, wurde geschätzt und geliebt. Und dennoch war es auf einmal dunkel und öd in ihr, als hätte Odas Kälte jede Freude zum Erlöschen gebracht.
Etwas davon musste sich noch in Eilas Gesicht spiegeln, als Raymond sich neben sie ans Feuer setzte. Er schnitzte an einem Pfeil, ein sicheres Zeichen dafür, dass er etwas mit sich herumtrug, das er loswerden wollte.
»Bist du krank?«, fragte er. »Du siehst so seltsam aus.«
Eila schüttelte den Kopf.
»Es ist nichts«, sagte sie. Er hatte genug zu tragen. Sollte sie ihn da auch noch mit ihren Sorgen belasten?
»Du hast mit deiner Mutter gesprochen?« Seinen scharfen Augen entging selten etwas.
»Nur ein paar Sätze. Dann wollte sie zurück ins Zelt.«
»Eila, hör zu …« Sie spürte, wie er nach Worten rang. »In drei, vier Tagen werden wir in Augsburg sein. Dort kommt etwas auf uns zu, was wir alle so noch nicht erlebt haben.«
»Du meinst den Reichstag?«, fragte Eila.
»Ja, den auch, aber ich spreche noch von etwas anderem
…« Er spuckte ins Feuer. »Ich wünschte nur, es wäre nicht so schwer!«, stieß er hervor.
»Was willst du mir sagen, Vater?«
»Der König... König Otto … man muss ihn sehr gut kennen, um ihn richtig zu verstehen. Nach außen wirkt er streng und hart, und es sieht stets so aus, als würde er einen einmal gefassten Entschluss niemals wieder zurücknehmen. Aber es ist nicht immer so, nicht unbedingt. Er kann verzeihen, wenn man ihn sehr herzlich darum bittet und er sicher sein kann, dass man auf seiner Seite steht.« Er sah sie eindringlich an. »Hast du mich verstanden, Eila?«
»Nicht ganz«, sagte sie. »Ich soll den König um Verzeihung bitten. Richtig? Und weshalb?«
»Du kannst ihm sagen, dass du unser altes Geheimnis kennst. Und dass er nun der Tochter das schuldet, was der Vater in all den Jahren niemals eingefordert hat. Das kannst du ihm sagen. Falls es nötig sein sollte.«
»Dem König? Aber wann? Und wozu?«
Eila sah, wie er sich unter ihren Blicken förmlich wand.
»Nun, du hast Sigmar nicht geheiratet …«
»Fängst du jetzt auch noch damit an? Mutter hat bereits zuvor die Sprache darauf gebracht. Nein, ich
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