Liebe Ist Furcht
ausgesehen, als wäre sie von der Pest befallen worden. Leute hatten ihre Häuser verlassen, um näher zu seinem Hof zu ziehen. Felder lagen brach, Wälder waren verlassen.
Die Zugbrücke war heruntergelassen. Cer runzelte die Stirn, sah zu den Fallgittern hinauf und war erschrocken zu sehen, dass niemand dort war. Wurde ein Festmahl gehalten? Würde er sie alle überraschen? Der eigenartigste Gedanke kam ihm — was, wenn sie wüssten, dass er zurück war und alle hier waren, um ihn zu verfluchen? Ihn erwarteten, um ihn aus dem Hinterhalt zu überfallen, abermals?
Versucht es nur ! Lass sie! Er versteckte sich nicht und würde sich nicht zurückziehen. Nicht noch einmal .
Er war vor Lucas geflohen.
Er hatte Geduld mit Virginia gehabt.
Er hatte seiner Königin aus Sentimentalität heraus gestattet zu leben.
Und letzten Endes hatte er eine fürchterliche und unbezahlbare Lektion gelernt — Güte ist ein fataler Fehler. Er hätte gnadenlos sein sollen.
Er war König.
Er war ein Gott.
Und er war rachsüchtig.
Er ging die Zugbrücke hinauf, und die Stille lastete schwer. Verzweiflung lag dicht und übersättigend in der Luft. Sie haftete an allem. Die Festung war dunkel. Keine Fackeln, um seinen Weg zu erleuchten. Nicht dass er Licht gebraucht hätte. Er lief selbstsicher in die pechschwarze Burg, kannte jeden Schritt und jeden unebenen Stein.
Für ihn hatte selbst die Burg einen Puls. Zumindest war das so gewesen. Einstmals. Jetzt fühlte er sich abgeschottet. Als ob alles um ihn herum eine Vision wäre, die er schon hundert Mal gesehen, aber nie in der Realität erfahren hatte. Cer ging in den großen Saal.
Und blieb wie angewurzelt stehen.
Die Tafel war mit Kristallgläsern und Goldtellern gedeckt. Essen stand auf dem Tisch, und seine Leute saßen an der Tafel, bereit an einer Mahlzeit teilzuhaben, die nie begonnen hatte. In der Dunkelheit konnte er sehen, dass sie mit grauem Staub bedeckt waren. Seine Königin saß am Kopf der Tafel, ihr leuchtend blondes Haar und ihre elfenhaften Züge — so schön, dass Sterblichen vor Anbetung die Luft wegblieb, wenn sie erschien — waren verschrumpelt und alt.
Ihr Haar sah aus, als hätte jemand Mehl darüber geschüttet, kein Glanz, sondern brüchig und verblasst. Sie war in ihren Stuhl zurückgesunken, die Augen weit aufgerissen und eingesunken, in ihren Höhlen vertrocknet wie Pflaumen. Fünfzig seiner Gefolgsleute saßen an der Tafel. Samt und Satin ihrer Kleidung verfaulten auf ihren erstarrten Figuren.
Er ging um die Tafel herum, hörte seine Stiefel auf dem Boden widerhallen, sah die verwandelten Wölfe vor dem Feuer — als wären sie träge und warteten darauf, dass ihr Herr nach Hause käme. Sie waren totenstill.
Waren sie tot? Er ging zu seiner Königin, warf einen Blick auf sie, fühlte sich leicht bange. Als ob sie sich vielleicht plötzlich vorbeugen und ihn anschreien könnte. Ein wirklich gewordenes Albtraum-Märchen.
Fürchtete er sich vor ihr? Nein. Aber er konnte sich selbst nicht gestatten sie zu berühren, denn sonst würde er sie in seiner Raserei töten. Cerdewellyn wich zurück. Er ging zum anderen Ende der Tafel und berührte Verica, eine seiner Liebhaberinnen, stattdessen.
Ein Funke von Leben war noch da. Es war so, als hätten sie sich alle zu einer Mahlzeit hingesetzt und wären dann aus irgendeinem Grund nie wieder aufgestanden. Cer lachte elend. Es gab nur ihn. Gefangen in einer Welt seiner Schöpfung. Alleine in einem leeren Königreich.
Aber nicht mehr lange .
Kapitel 32
Valerie erwachte nach Luft ringend. Sie sprang auf, atmete tief ein und sah sich um. Jack und Rachel standen da. Lucas warf Jack die Waffe, die er ihm weggenommen hatte, wieder zu. Jack fing sie auf, sah dabei verwirrt aus. Lucas zeigte auf die Eingangstür und sagte barsch: „ Das ist gefährlicher als ich. Du musst bewaffnet sein, um dich selbst und Valerie zu verteidigen.“
Von draußen war ein fürchterliches Heulen zu hören, und es wurde lauter, kam näher. So unheilvoll, dass es ihr alle Haare zu Berge stehen und ihre Kehle trocken werden ließ. „Ich habe das Gefühl in ,Blair Witch Project‘ zu sein. Was zum Teufel ist das?“, fragte Val.
„Es ist die Wilde Jagd“, sagte Lucas gelassen.
„Und was bedeutet das? Herrgott, gib uns einfach die verdammten Informationen!“, rief Jack wütend, während er einen Schritt auf Lucas zuging.
„Der Legende zufolge muss jeder in seinem Bett sein, wenn die Wilde Jagd vorbeireitet,
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