Liebe ist jenseits von Gut und Böse (Die Ostküsten-Reihe) (German Edition)
Liebe. Heute weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll.
'Es war doch alles nur ein Spiel.'
Was habe ich diese Worte hassen gelernt. Für mich ist Liebe kein Spiel. Mir bedeutet sie etwas und ich spreche die berühmten drei Worte nicht leichtfertig aus. Im Augenblick denke ich, dass ich sie nie wieder aussprechen werde. Ganz schön zynisch für jemanden, der erst 28 Jahre alt ist, nicht wahr?
Meine Narben verheilen, aber verschwinden werden sie niemals. Ich habe sehr viele Narben. Sichtbare und unsichtbare. Sie haben einen anderen Menschen aus mir gemacht und der gefällt mir nicht. Ich möchte wieder so naiv sein wie früher, denn mein Leben war so bedeutend einfacher. Aber das wird nicht passieren. Ich bin nicht so dumm, das zu glauben.
Was würde ich darum geben, einfach aus der Tür dieses kleinen Zimmers in die Welt hinaustreten zu können, ohne dabei panische Angst zu haben. Ohne eine geladene Waffe unter der Jacke zu tragen und das Pfefferspray in der Jackentasche mit den Fingern fest zu umklammern. Statt unbeschwert zu leben, wäge ich jeden Schritt genau ab und kontrolliere alles doppelt und dreifach.
Ich bin sehr vorsichtig geworden, gebe mein Vertrauen und meine Sicherheit nicht mehr in fremde Hände. Deswegen weiß auch niemand aus meinem alten Leben wo ich bin und ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dafür zu sorgen, dass es so bleibt.
- 1. Kapitel -
Irgendetwas musste der Sommer in diesem Jahr falsch verstanden haben. Regen im Juli war zwar kein Weltuntergang, aber dass er seit zwei Wochen anhielt und die warme Luft dadurch mit jedem Tag drückender wurde, machte allein das tägliche Aufstehen langsam zu einer Qual.
Es war nicht so, dass Daniel unbedingt nach draußen gemusst hätte, die Notwendigkeit Nahrung zu sich zu nehmen wurde seiner Meinung nach sowieso überbewertet. Aber wenn er schon alle zwei Tage seine Panik überwand und sein kleines Motelzimmer verließ, um in dem amerikanischen Diner auf der anderen Straßenseite etwas zu essen, wollte er dabei nicht jedes Mal klitschnass werden.
Der Regen ging ihm auf die Nerven. Und sein Haus war immer noch nicht fertig, was ihn zusätzlich ärgerte. Wenigstens hatte sich die höfliche Stimme der Hausverkäuferin am Telefon als nette alte Dame herausgestellt, die wollte, dass er sie Charlie nannte und heute zu ihr zum Essen kam. Das war ihre Art sich für die nicht geplante Wartezeit wegen des Hauses zu entschuldigen. Daniel hatte ihre Einladung abgelehnt, aber Charlie war hartnäckig geblieben und schlussendlich hatte er nachgegeben, um seine Ruhe zu haben. Ein Essen würde er schon irgendwie überstehen. Außerdem war die alte Frau über Achtzig und keine Gefahr für ihn.
Das redete er sich jedenfalls seit zehn Minuten ein, während der warme Regen unablässig auf seinen Schirm tropfte und ihn jeder Schritt näher zur Wohnung der alten Dame brachte.
Ein Privatverkäufer stellte weniger Fragen als eine öffentliche Immobilienfirma. Deswegen hatte er von Beginn an nach einer Bleibe in Privatbesitz gesucht. Er hatte sein neues Haus von dem Gewinn aus dem Verkauf des Alten bezahlt und den Rest seines Geldes auf mehrere Konten unter verschiedenen Namen verteilt. Viel war nicht mehr übrig. Der Flug nach Baltimore, seine neuen und falschen Papiere, das Busticket, die Arztrechnungen, das Hotelzimmer, seine Waffe, das Pfefferspray – heutzutage gab es nichts umsonst, schon gar nicht, wenn man sich von der Polizei fernhalten wollte.
Er wurde in diesem Land nicht gesucht und dabei sollte es auch bleiben. In seiner alten Heimat hatte man ihn vermutlich schon als vermisst gemeldet, aber das kümmerte ihn nicht. Er wollte einfach keine Aufmerksamkeit erregen und sie so möglicherweise doch noch auf seine Spur führen.
Ein blauer Pick up fuhr an ihm vorbei und erwischte dabei eine große Pfütze am Straßenrand. Das Wasser schoss in einer Fontäne nach oben und traf ihn mit voller Breitseite. Fluchend und schimpfend sprang Daniel beiseite und verlor dabei seinen Schirm.
„Du Vollidiot!“, schrie er dem Wagen nach und wischte sich ein paar blonde Haarsträhnen aus der Stirn, bevor er an sich hinunter blickte.
So konnte er unmöglich bei der alten Dame auftauchen. Die Jeans war dreckig bis zum Knie und auch sein graues Shirt hatte einige Dreckspritzer abbekommen. Der Regen lief ihm in Sturzbächen in den Kragen seiner Jacke und über seine restliche Kleidung und durchnässte ihn bis auf die Haut, was die Narben auf seinem Körper mit
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