Liebe ist jenseits von Gut und Böse (Die Ostküsten-Reihe) (German Edition)

kann nicht. Ich weiß einfach nicht, was ich zu ihm sagen soll. Sogar mit Grandma Charlie, die vor drei Tagen hier war, um mir ordentlich den Kopf zu waschen, weil ich kaum noch vor die Tür gehe und mich im Haus verstecke, habe ich keine fünf Sätze gesprochen. Es ist, als würde mir jemand den Mund zuhalten, sobald ein Mitglied aus der Bennett Familie in meiner Reichweite erscheint. Ich bin wie innerlich blockiert.
    Trotzdem kann ich nicht aufhören an Connor zu denken. Was hat er nur damit gemeint, dass ihm zu helfen Tristan verändert hätte und es seine Schuld wäre? Ich weiß, dass die Antwort direkt vor meiner Nase liegt, aber ich sehe sie einfach nicht. Wie so oft in meinem Leben bin ich blind, obwohl meine Augen weit geöffnet sind. Ich hasse das. Ich will verstehen, was Connor mir sagt oder warum Tristan wütend auf mich ist. Obwohl ich irgendwie glaube, dass er eher wütend auf sich ist, aber wieso?
    So ein Mist. Da denke ich seit Wochen beinahe ununterbrochen über die Beiden nach und was kommt dabei heraus? Gar nichts. Das macht mich noch wahnsinnig und es ärgert mich. Ich schätze, auch deswegen läuft Paul van Dyk, weil er und seine Musik es früher immer schafften mich runterzuholen, wenn ich drohte vor Wut völlig abzuheben.
    Musik war schon immer meine Ruheinsel. Man muss sie laut hören, damit sie wirken kann. So geht es zumindest mir, aber heute funktioniert selbst das nicht. Mir tun bereits die Ohren weh, so laut habe ich den Lautsprecher und die Ohrstecker aufgedreht, und trotzdem finde ich keine Ruhe.
    Mir gehen Connors letzte Worte einfach nicht mehr aus dem Kopf. Er hat gesagt, ich würde irgendwann auch jemanden finden, so wie er Nick gefunden hat, doch bereits im nächsten Augenblick meinte er, dass er selbst nicht Derjenige sein würde, weil wir zu nah beieinander wären. Aber was das nun wieder bedeutet, hat er mir natürlich nicht erklärt.
    Typisch. Versteh das, wer will, ich tue es nicht.
    Hatte ich schon erwähnt, dass es mich wahnsinnig macht?
    Die ersten Töne von 'Nothing but you' wummern in meinen Ohren. Ja, genau, Paul, als wenn mein Leben so einfach wäre. Gott, wie ich es hasse. Dazustehen wie ein Vollidiot, während ich unwissend um Antworten herum schleiche, die für andere offensichtlich sind.
    Verdammt, Paul, sonst hat mir deine Musik immer geholfen, wieso heute nicht? Dabei haben wir sogar was gemeinsam, schon vergessen?
    Ich wüsste es nicht einmal, wenn ich ihm nicht zufällig auf der Sensation White über den Weg gelaufen wäre. Wann war das? 2005, 2006, 2007 – keine Ahnung. Ich weiß aber noch, dass es heiß war. Tausende von Menschen, die einfach nur eines wollten, und zwar feiern bis zum Umfallen. Und ich war mittendrin. Da war meine Welt noch in Ordnung. Was habe ich an jenem Wochenende getanzt und gelacht, und was würde ich dafür geben, genau so etwas wieder tun zu können. Ob mit oder ohne Paul ist mir dabei völlig egal.
    Er hat damals seinen Geburtstag mit ein paar Freunden aus der Musikszene nachgefeiert, genau wie ich. Wir sind nämlich auf den Tag genau neun Jahre auseinander, haben beide am 16. Dezember Geburtstag. Ein Barkeeper hat mich kontrolliert, weil er dachte, ich wäre noch nicht alt genug für Alkohol, und dabei fiel ihm die Autogrammkarte von Paul in die Hände. Ich dachte mir nichts dabei, als er daraufhin breit grinste und kurz mit einem anderen Gast flüsterte, der sich später als David Guetta herausstellte.
    Ich werde nie vergessen, wie verdattert ich war, als mir ein paar Minuten später Paul van Dyk höchstpersönlich auf die Schulter tippte, um mir nachträglich zum Geburtstag zu gratulieren. Das Ende vom Lied war eine Einladung hinter die Bühne, als er erkannte, wie sehr mir der 'Zauber seiner Musik' – so haben die Fans es damals genannt - gefiel, und ein Wochenende, dass ich niemals vergessen werde.
    Scheiße, Paul, wo ist der Zauber deiner Musik geblieben? Wieso kommt er nicht mehr bei mir an? Es hat jahrelang funktioniert, warum, zum Geier, nicht heute, wo ich ihn wirklich brauche?
    Oh Gott, fluche ich gerade wirklich per Laptop über einen DJ, dessen Musik ich gern höre? Wenn man's genau nimmt, fluche ich ja nicht einmal verbal, sondern ich schreibe es in mein Tagebuch... Himmel, wenn das so weitergeht, lande ich wirklich noch in einer Gummizelle.
    Ich brauche dringend einen Tapetenwechsel, bevor ich endgültig den Boden unter den Füßen verliere.
    Vielleicht sollte ich einfach Zeke nehmen und für eine Weile aus der Stadt