Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
steht:
GEORGE PHILIP GASBARRE, SR.
9. September 1925 – 28. Januar 2008
Ich hasse es, sein Todesdatum zu lesen. Ein Datum, das bereits vorüber ist – ein weiterer Beweis dafür, dass er tot ist. Daneben steht Großmutters Text:
GLORIA DELORES GASBARRE
(ELLINGER)
11. Dezember 1928
Wie mag es wohl sein, wenn man noch am Leben ist und seinen eigenen Namen schon auf dem Grabstein sieht? Grandma hat es noch nie erwähnt.
Ich vergewissere mich, dass niemand in der Nähe ist, dann flüstere ich: »Italien hat mir das Herz gebrochen, Grandpa. Der Engländer, weißt du noch?« Es fühlt sich zwar albern an, aber vielleicht hilft es mir ja. »Und dann habe ich auch noch dich verloren. Aber es muss doch auch noch andere gute, aufregende Männer da draußen geben, oder? So jemanden wie dich. Hilfst du mir dabei, einen zu finden?« Ich knie mich hin und taste nervös das Gras ab. Die Vorstellung, er könnte hier direkt unter mir liegen, macht mich nervös. »Es gibt da vor allem einen, er wohnt sogar hier, und es ist komisch …« Ich lache leise. »… alle, einschließlich Grandma, scheinen zu glauben, wir seien füreinander bestimmt.« Ich blicke auf Großvaters Grabstein, als sei es sein Gesicht. »Und ich habe mir gedacht, ich nehme mal Kontakt zu ihm auf.« Ich zögere. »Es ist doch nichts Schlimmes dabei, wenn man neue Freunde findet, oder, Grandpa?« Ich küsse den Stein und fahre mit der Hand über die Buchstaben.
Das ist schon das zweite Mal, dass ich mich mit dieser Bitte an meinen Großvater wende. Beim ersten Mal habe ich ihn, während er am Tag vor seinem Tod geschlafen hat, gebeten, mir einen Ehemann zu schicken. »Wir haben ja schon einmal darüber geredet, und ich weiß, dass du mich gehört hast.« Ich stehe auf und klopfe mir das Gras vom Saum meines Kleides. »Danke, Grandpa. Ich habe dich lieb.«
Später in dieser Woche ruft Mrs Chapman an, um zu berichten, dass sie Dr. Christophers Karte diskret auf der vorderen Veranda unseres Hauses deponiert hat. Ich hatte sie weggeworfen, bevor Mom ihrer habhaft wurde. Schließlich hatte es keinen Sinn, sich so von der Aufregung überwältigen zu lassen. Aber als ich jetzt von der Kirche und dem Friedhof nach Hause komme, fische ich sie wieder heraus und schwöre mir insgeheim, dass ich die ganze Angelegenheit ruhen lassen werde, wenn ich keine Antwort bekomme. Wenn meine E-Mail nicht dazu führt, dass sich unsere Wege kreuzen, dann bin ich eben doch nicht für diesen Mann bestimmt.
In die Betreffzeile der E-Mail schreibe ich »Neuer Freund in DuBois« mit drei Pünktchen, um das Ganze ein bisschen lockerer zu machen. Ich teile dem Arzt mit, dass er sich in den vier Jahren, seit er hierhergezogen ist, Achtung und Respekt erworben hat. Seine Arbeit klinge faszinierend, tippe ich, und ich würde ihn gerne einmal kennenlernen. »Wenn Sie Zeit haben«, schreibe ich, »könnten wir vielleicht einmal miteinander Mittagessen oder etwas trinken gehen.« Auf diese eloquente Art teile ich ihm mit: »Nach dem, was ich über Sie gehört habe, besteht wahrscheinlich nicht die geringste Chance, dass Sie Single sind, aber wenn es doch der Fall sein sollte, wie alle behaupten, dann sollten wir uns wirklich einmal treffen.«
Ich lese die E-Mail dreimal, um sicherzugehen, dass ich zwar selbstbewusst, aber nicht zu selbstbewusst erscheine; damenhaft, aber nicht zu verzweifelt. (Das ist eine heikle Angelegenheit, und in diesem frühen Stadium könnte es sogar schon als zu forsch empfunden werden, wenn ich ihm meine Telefonnummer gäbe.) Ich schließe die E-Mail mit freundlichen Grüßen, so dass alles möglich bleibt: Ich könnte ein geschäftlicher Kontakt, eine nette Freundin oder eine attraktive Single-Frau sein. Ich halte den Atem an und blicke zur Schlafzimmerdecke. Tue ich das tatsächlich? Ich schicke die E-Mail los und denke dabei, dass ich wahrscheinlich sowieso keine Antwort bekommen werde.
An diesem Nachmittag trifft sich die gesamte Familie zum Grillen an unserem Bootssteg. Ich flüstere Grandma ins Ohr: »Kannst du dich noch daran erinnern, wie wir kürzlich abends mit Tricia über den Doktor gesprochen haben?«
»Ja?« Sie wendet sich mir zu.
»Ich habe ihm heute eine E-Mail geschickt.«
»Oh!« Sie lässt fast ihren Hamburger fallen, und ihre Augen leuchten auf. So habe ich sie zum letzten Mal gesehen, als sie mit Großvater in der Küche in Florida Spaghetti gekocht hat, vor anderthalb Jahren, noch bevor er krank wurde. Sie flüstert: »Sag mir Bescheid,
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