Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
immer, oder?« Wir gehen zusammen ins Haus. »Grandma, möchtest du das Garagentor schließen?«
»Oh ja, danke. Es ist der linke Knopf – oder ist es der rechte? Nein, ich könnte schwören, es ist der linke …« Schließlich entscheidet sie sich. »Nein, es ist der linke, ich bringe das immer durcheinander. Setz dich an den Tisch. Möchtest du etwas trinken?«
Ich bitte sie um ein Wasser, doch das entpuppt sich als ein schwieriges Unterfangen. Nein, ohne Eis ist gut; ja, ein kleines Glas ist völlig in Ordnung. Ich würde es mir auch selbst holen, aber sie besteht darauf, es mir zu bringen. Ich soll mich hinsetzen und mich entspannen.
»Und, wie war es in New York?«
Ich beschließe, ihre Verwirrtheit zu ignorieren. Mein Dad und mein Onkel sollen sich später um ihre Vergesslichkeit kümmern. Bei emotionalen Problemen kann ich Großmutter sicherlich beistehen, aber ihre physische Gesundheit – ihr Gedächtnis – ist eine Herausforderung, der ich nicht gewachsen bin. »Es war anstrengend, Grandma. Er macht mich verrückt.«
Sie zuckt mit den Schultern und fragt: »Hast du wenigstens ein paar Freunde besucht?«
»Nein, dafür hatte ich keine Zeit.«
»Na ja, du warst ja auch zum Arbeiten da.« Sie zupft mit den Fingern an ihrem Salat, etwas, das mir ungewöhnlich an ihr erscheint. Ich reiche ihr eine Serviette. »Bist du froh, dass du dich wieder auf deine Arbeit konzentrieren kannst?«
»Ja, sehr froh. Ich musste drei Redakteure um eine Terminverlängerung bitten. Das tue ich sonst nie.« Ich blicke Grandma an. »Weißt du, was ich ihm am liebsten sagen würde, Grandma?«
»Hm?« Sie ist mit einem Stück geschmolzenem Käse beschäftigt.
»Besorg dir eine Ehefrau!«
Nichts, was ich sage, heitert sie heute auf. Sie ist völlig in Gedanken versunken. »Was gibt es bei dir Neues, Grandma?« Ich esse weiter.
»Nun …« Sie legt ihre Gabel hin und seufzt. »Ich kann es dir ja gleich erzählen. Ich habe Grandpas Hemden weggegeben.«
Plötzlich kriege ich keinen Bissen mehr hinunter. Übelkeit steigt in mir auf. »Wow.« Grandpas Hemden, seine alten Arbeitshemden? Warum macht sie das jetzt schon, so früh? Meine Nana hat drei Ehemänner beerdigt, und noch Jahre danach hat sie deren Hemden im Haus getragen, nur um den Gedanken an sie lebendig zu halten … und, wenn sie Glück hatte, ihren Geruch. Nana hat immer gesagt, an den Kleidern eines Mannes zu riechen, wenn er tot ist, sei das herzzerreißendste Gefühl auf der Welt, aber nach einer gewissen Zeit könne einen oft nur das trösten, weil es das Einzige ist, was von den Toten geblieben ist. Sie sagt, man kann die Tür zum Schrank eines Mannes zehn Jahre lang geschlossen halten, und wenn man sie dann endlich wieder öffnet, sei es so, als würde man den Kopf auf seine Schulter legen und tief den Duft seines Halses einatmen. »Warum hast du das getan?«, frage ich Grandma. Ich muss mich richtig zusammenreißen, um nicht wütend zu werden.
Sie ist auch wütend. Zum ersten Mal in der halben Stunde, seit ich bei ihr bin, benimmt sie sich normal. Sie sagt, dass sie ihm böse sei. Sie ist böse, weil er sie verlassen hat und sie sich jetzt um alles selbst kümmern muss. Sechzig Jahre hat sie ihm den Rücken frei gehalten, damit er arbeiten konnte, obwohl er viel besser kochen konnte als sie und obwohl sie manchmal den Eindruck hatte, sie allein ordne beide Leben. Sie sagt, einmal habe sie Dad zum Schlagzeug-Unterricht gefahren (»Was, Dad hat Schlagzeug gespielt?«, werfe ich entgeistert ein.), und die anderen vier Kinder seien alleine im Wohnzimmer geblieben. Aus irgendeinem Grund hatten sie immer Papageien als Haustiere – Grandma meint, das habe irgendetwas mit Italien zu tun –, und ein Vogel, er hieß Johnny, ist aus dem Käfig entwischt, als Grandma gerade mit Dad und dem Schlagzeug aus der Tür ging. Einer meiner Onkel wollte besonders clever sein, und um Dad zu erschrecken, schob er die Glasschiebetür krachend hinter ihm zu, und der Vogel geriet dazwischen, wurde zerquetscht und fiel tot zu Boden. Grandma stand da mit fünf hysterischen Kindern, von denen eins zu spät zum Schlagzeug-Unterricht kam. Die Geschichte ist furchtbar, aber ich muss mir das Lachen verkneifen.
Grandpa war nie zu Hause, sagt Grandma, und trotzdem hat er sie immer gebraucht. Tagelang hat sie hinter den Kindern hergeräumt, und dann kam er nach Hause und warf sein schmutziges Hemd einfach auf den Boden, wenn er sich vor dem Abendessen umzog. Und wie seine Hemden immer
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