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Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Titel: Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Gasbarre
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ausgesehen hatten! Voller Schmieröl und Servietten mit technischen Zeichnungen in der Tasche. Was hat er sich wohl gedacht, wie sie immer wieder sauber in seinem Schrank gelandet sind? »Apropos«, fügt sie hinzu. »Die Steuerquittung für meine Schenkung ist in meiner Tasche.«
    Oh, und dann die Abendessen, fährt sie aufgebracht fort. Wie viele Abende hat sie Kollegen und Kunden bewirtet, auf Empfängen Small Talk gemacht mit den Managern und ihren Frauen, alles nur für Grandpa und sein Geschäft. »Und wenn ich mal Freunde einladen wollte, zuckte er zusammen, aber ich habe ihm gesagt: ›George, bei all den Terminen und Abendessen, die ich für dich wahrnehme, kannst du wohl auch mal einen einzigen Abend mit meinen Freunden verbringen.‹«
    Grandma sagt, sie habe sich ihr ganzes Leben lang um ihn gekümmert, zu ihm aufgesehen … und er? Er lässt sie einfach allein. »Heute habe ich zur Decke geschaut und es ihm gesagt«, erklärt sie. »›Das ist alles deine Schuld‹, habe ich gesagt. ›Wenn du von oben herunterschaust, dann siehst du, was du mir angetan hast, als du mich verlassen hast!‹«
    Ich hole tief Luft und wähle meine Worte sorgfältig. »Grandma«, beginne ich, »weißt du noch, wie unglücklich Grandpa war, als er im Sterben lag? Was er für Schmerzen hatte?«
    Sie sitzt ganz still da.
    »Das hat dich auch traurig gemacht, weißt du noch? Und du hast ihm gesagt, er solle gehen, weil du wusstest, dass das das Beste für ihn ist. Daran musst du immer denken. Du hast ihn so sehr geliebt, dass du alles getan hättest, nur damit er Frieden fand.« Sie weint jetzt. »Er war nicht mehr glücklich. Weißt du noch, wie wütend und frustriert er war, als er krank geworden ist? Er war zu müde, um zu arbeiten. Er hat den ganzen Vormittag geschlafen, und wenn er mittags aufgestanden ist, war er schon wieder müde, kaum dass er sich angezogen hatte. Er hat den ganzen Tag nur daran gedacht, dass er gerne etwas Konstruktives machen wollte. Er konnte einfach nicht aufhören nachzudenken.« Ich mache eine drehende Handbewegung an meinem Kopf, wie Grandpa es immer gemacht hatte, um zu demonstrieren, wie seine Gedanken kreisten. »›Ich kann sie nicht anhalten‹, hat er immer gesagt. Das hat ihn wahnsinnig gemacht.«
    Sie nickt langsam und blickt auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hat.
    »Grandma!« Ich beuge mich zu ihr. »Es ist ganz normal, dass du wütend bist. Du hast so viel für ihn getan. Und du hast ihn bedingungslos unterstützt. So habe ich das noch nie bei einer Frau gesehen, niemals.« Sie sitzt weiter schweigend da. »Darauf kannst du stolz sein.«
    »Ich glaube, ich habe das in seinen letzten Tagen gar nicht richtig wahrgenommen.«
    »Ja, wahrscheinlich nicht.«
    »Nach sechzig Jahren konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass er tatsächlich weg sein würde.«
    »Es war auch unmöglich, das zu verstehen, Grandma. Ich habe es genauso empfunden.« Ich rede mit Grandma wie mit einer Freundin nach einer Trennung: Diese Gefühle sind real, weil die Liebe real war. Du musst die Trauer durchleben, nachdem du diese Beziehung verloren hast. Als ich die Rede für Grandpas Beerdigung geschrieben habe, habe ich von der Hingabe und Liebe meiner Großmutter als »rein« gesprochen und sie als Heilige bezeichnet. Und das ist sie tatsächlich. Sie hat den Ruf vernommen, ihr Leben dienend zu verbringen, und sie hat diese Rolle bis zuletzt ausgefüllt. Es ist sicher keine Überraschung, dass sie sich ohne meinen Großvater einsam und verlassen fühlt. »Grandma, sag mir etwas.«
    Sie zieht ein Taschentuch aus dem Ärmel ihres Pullovers und blickt mich aus rotgeweinten Augen an. »Ja?«
    »Grandpas Unternehmen fing erst wirklich an zu florieren, als er schon siebenundvierzig war, oder?«
    »Ja.«
    »Und das Geschäft, das er davor in St. Louis hatte, ist bankrottgegangen, richtig?«
    »Ja. Marie und Phil waren auf dem College, und dein Dad und Onkel Paul waren fünfzehn und siebzehn, und Junior wurde bald zehn, als wir umziehen mussten. Und wir konnten noch nicht mal alles mitnehmen, weil wir nicht so viel Platz hatten.«
    »Dad musste alle seine Baseball-Karten zurücklassen, nicht wahr?«
    »Ja, er hatte sie jahrelang gesammelt, und dann waren sie alle weg. Er war am Boden zerstört, aber so war es eben.« Sie zuckt mit den Schultern. »Wir mussten alle etwas aufgeben.«
    »Und Grandpa? Wie war er in dieser Zeit?« Grandpa war immer stolz – wie ist er mit seinem Versagen fertig geworden?
    »Er

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