Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
sage ich. »Ich buche uns ein Zimmer, das nicht direkt neben dem Aufzug liegt, damit du heute Nacht schlafen kannst.«
Ich entferne mich einen Block weit von den hellen Lichtern des Times Square und entdecke ein griechisches Restaurant auf der Ninth Avenue. Dort sitze ich an einem von einer Kerze beleuchteten Tisch für zwei, esse eine Spinat-Crêpe und trinke ganz alleine Chardonnay. Ich überlege, ob ich zu Hause anrufen soll, aber stattdessen spüre ich einfach nur den Wind der Stadt, der durch die offene Tür weht, und dann kommt der Kellner und bringt mir noch ein Glas Wein. Er sagt, es sei vom Besitzer, und ich recke den Hals, um mich lächelnd zu bedanken. Ich habe keine Ahnung, ob sie mich bewundern oder bedauern, ich weiß ja selbst nicht, was ich empfinde.
Mir fällt ein, dass Grandma und ich beide fanden, dass für eine Frau, die alleine ist, Sonntagabende die einsamste Zeit der ganzen Woche sind. Die Uhr auf meinem Handy zeigt 10.30, als ich zum Hotel zurückgehe … aber ich versuche trotzdem, Grandma zu erreichen. Wenn sie beim dritten Klingeln nicht abgenommen hat, werde ich auflegen.
Sie verblüfft mich, weil sie schon beim zweiten Klingeln abnimmt. »Hallo?«
»Grandma! Entschuldige, dass ich dich so spät anrufe. Habe ich dich geweckt?«
»Nein, ich kann nicht schlafen. Ist alles in Ordnung?«
»Ja. Ich bin in New York, die Fahrt ist gut verlaufen. Ich wollte mich nur rasch erkundigen, wie es dir geht.«
»Liebes«, sagt sie, »du wirst es nicht glauben, aber ich denke, du bist die Antwort auf mein Gebet.«
»Was? Warum?«
»Ich war gerade ziemlich deprimiert. Seit ich vor einer Stunde mit deinem Dad telefoniert habe, habe ich nur geweint. Aber jetzt geht es mir schon besser, nur weil ich deine Stimme gehört habe.«
Ich kehre in mein dunkles Hotelzimmer zurück und schlüpfe in den Seidenpyjama, den ich mitgebracht habe, weil ich weiß, dass Chris mich im Schlafanzug sehen wird … aber den BH lasse ich an. Dann ziehe ich die Couch im Wohnbereich der Suite aus.
Ich schlafe im Wohnzimmer, schreibe ich in meiner SMS an Tucker. Er ist immer noch beim Abendessen. Siehst du? Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.
Er schreibt zurück: Ich bin aus. Ich wünsche dir eine gute Nacht.
Chris kommt gegen Mitternacht, und ich finde, er sieht sehr weltstädtisch aus in seiner Jeans und dem schwarzen Pulli mit V-Ausschnitt. »Hi, wie war dein Abend? Wo hast du gegessen?«, fragt er. »Und warum liegst du hier? Ich habe doch gesagt, du sollst das Bett nehmen.«
»Nein, du nimmst das Bett.«
Er meint zwar, es sei nicht richtig, aber ich bestehe darauf. »Ich habe morgen keinen 19-Stunden-Flug vor mir, sondern du.«
Er dankt mir und wendet sich zum Schlafzimmer. »Saul möchte uns morgen früh zum Brunch sehen. Er möchte dich kennenlernen.« Ich höre seine Stimme nur gedämpft, weil er sich gerade das Hemd über den Kopf zieht.
»Gut, ich habe gehofft, ihn kennenzulernen, während wir hier sind.«
Er reckt den Kopf aus der Tür, und ich sehe seine nackten, breiten Schultern. Nachdenklich legt er den Kopf schief. »Woran arbeitest du gerade?«
»Ich schreibe an deiner Website.« Ich blicke ihn nur kurz an, damit er nicht denkt, ich bestaune seine nackte Brust. Über den Deckel meines Laptops sehe ich, dass er immer noch in der Tür steht. Will er noch etwas sagen? Ich räuspere mich und rücke meine Brille zurecht. Ich lächele ihn an und zeige auf die Schreibtischlampe. »Stört sie dich?«
»Nein«, sagt er und kommt wieder in die Wirklichkeit zurück. »Überhaupt nicht. Schlaf gut, Kris.«
»Danke. Du auch.«
»Gute Nacht.« Er schließt die Tür und betritt das Bad von seiner Seite des Zimmers aus. Ich höre Wasser rauschen, das Geräusch der Zahnbürste, das Klicken des Lichtschalters und dann … Stille.
Ich atme tief aus. Ihm gegenüber so gleichgültig zu wirken, ist eine Herausforderung. Ich lösche das Licht und arbeite im Dunkeln weiter.
Am Morgen trage ich bereits Pumps und Lederjackett und kämpfe mit dem Gepäck, einem Becher Starbucks und ein paar Akten, als er aus dem Schlafzimmer kommt. »Saul hat angerufen, wir kommen zu spät«, sagt er.
Wir checken aus, lassen unser Gepäck im Hotel und rasen den Times Square entlang. Mir geht durch den Kopf, dass jeder Mann, der jemals erfolgreich war, der Frau an seiner Seite danken sollte, dass es ihr gelungen ist, auf hohen Absätzen mit ihm Schritt zu halten. Ich bin Chris dicht auf den Fersen und rufe: »Der Marathon ist erst
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