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Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Titel: Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Gasbarre
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bleiben, seinen Flug verpassen und irgendwann am vierten Juli in Asien eintrudeln.
    Kann ich denn sicher sein, dass er noch weiß, zu welchem Flughafen er fahren muss?
    Aber ich mache mir nicht nur Sorgen um seine Logistik … es geht auch um Chris’ Wohlbefinden. Ich will wissen, ob er sich im Flugzeug wohl fühlt, ob er sich ein paar Tage ausruhen kann, bevor er mit der Arbeit beginnen wird, ob die Leute nett zu ihm sind und hilfsbereit. Ich bin zwar vermutlich nur eine Angestellte für ihn, jemand, dessen Fähigkeiten er gerade jetzt braucht … aber wenn ich mir keine Sorgen um ihn mache, wer tut es dann?
    Am nächsten Tag schlafe ich endlich einmal aus. Heute ist der erste Tag ohne ständige Telefonanrufe und Termine. Ich nehme Chris’ Pullover in die Hand und drücke die weiche Kaschmirwolle an mein Gesicht. Ich weiß nicht, warum ich dachte, mit dem Pullover wie mit einem Teddybären im Arm zu schlafen, sei weniger seltsam, als ihn einfach anzuziehen … aber ich bin enttäuscht, dass Chris’ Geruch bereits schwächer wird.
    Mom und Dad arbeiten, die Hunde schnarchen sorglos vor sich hin, und die Sonne blinzelt in mein Zimmer. Ich mache mir einen Kaffee und erledige noch ein paar Dinge, bezahle Chris’ Handyrechnung und mache die Anzeige fertig, die wir in der Lokalzeitung schalten werden, damit seine Patienten wissen, dass er vor Thanksgiving nicht zurück ist. Dann rufe ich Grandma an. »Hast du Lust auf ein bisschen Gesellschaft?«
    Sie findet, das sei eine gute Idee.
    Ich ziehe mich um und fahre in die Stadt. Das letzte Mal haben wir kurz nach Grandpas Geburtstag zusammengesessen; sie hat mir bestimmt viel zu erzählen. Auf der Fahrt zu ihr halte ich bei meinem Lieblingsrestaurant und hole Salat mit gebratenem Hühnchen. Der Geruch des heißen Essens in den Plastikbehältern vertreibt den letzten Geruch von Chris, dessen Pullover auf dem Rücksitz liegt, weil ich ihn in die Reinigung bringen will. Ich mache das Fenster einen Spalt auf.
    Als ich in Grandmas Einfahrt einbiege, ist ihr Garagentor offen. Das Auto steht mit laufendem Motor darin. Sie steht daneben und fummelt an einem Blatt Papier und einem Umschlag herum. Es erschreckt mich ein bisschen, wie sehr sie sich darauf konzentrieren muss, aber vor allem möchte ich ihr helfen, obwohl ich weiß, dass ich es nicht kann. Sie zuckt zusammen, als ich sage: »Grandma, ist alles okay? Warum läuft der Motor?«
    »Oh! Ach, du liebe Güte, Kris! Ich habe dich gar nicht kommen hören.« Ich frage mich, ob sie ihr Hörgerät abgeschaltet hat, aber als ich sie umarme, kann ich es hören. Es ist unmöglich, dass sie mein Auto nicht gehört hat … das eigentliche Problem scheint zu sein, dass sie nicht mehr in der Lage ist, mehrere Dinge gleichzeitig zu bewältigen. »Hey, was hast du da?«
    »Ich habe uns Geflügelsalat von Luigi’s mitgebracht. Grandma, dein Auto. Willst du es laufen lassen?«
    Sie dreht sich langsam um. »Nein«, sagt sie benommen. »Ich glaube nicht.«
    »Ich mache es rasch aus.« Ich stelle die Tasche mit dem Essen ab. Als ich die Fahrertür öffnen will, ist sie verschlossen. Das ist wirklich seltsam, aber um ihretwillen bleibe ich gefasst. »Grandma, die Tür ist verschlossen, und der Schlüssel steckt im Zündschloss.«
    »Ach, du lieber Himmel!«, sagt sie, immer noch verwirrt. Ich frage mich, was wohl passiert wäre, wenn ich nicht gekommen wäre. Sie wäre wahrscheinlich ins Haus gegangen und hätte das Garagentor hinter sich zugemacht. »Grandma«, sage ich, »hast du einen Ersatzschlüssel?«
    »Ach, du liebe Güte, wenn ich so darüber nachdenke, dann würde ich sagen, dein Dad hat ihn. Oder vielleicht Onkel Phil …«
    Ich laufe ins Haus und schaue in Grandpas Schreibtischschubladen nach. In der mittleren liegt ein Autoschlüssel. Ich renne zurück in die Garage und halte ihn auf Grandmas Auto gerichtet. Die Türen werden entriegelt. Schnell öffne ich die Fahrertür und schalte den Motor aus. »Grandma, ist das schon einmal passiert?«
    »Ja, vielleicht ein paarmal«, sagt sie. »Du hast mir hoffentlich kein Joghurt-Dressing mitgebracht? Milchprodukte vertrage ich nicht mehr.«
    Ich versuche, ruhig zu bleiben. Wie kann sie an das Salatdressing denken, nachdem sie gerade ihr Leben ernsthaft in Gefahr gebracht hat? Am liebsten würde ich sie anschreien, aber ich halte mich zurück. Das hat sicher etwas mit ihrer beginnenden Demenz zu tun. »Nein«, antworte ich. »Ich habe dir süß-sauer mitgebracht. Das bestellst du doch auch

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