Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
nächsten Monat.« Er wird noch schneller.
»Weißt du, was wir vergessen haben?«, fragt er. »Wir haben diese teure Kameratasche nicht zurückgegeben. Sie ist für die Reise viel zu sperrig.«
»Ich schicke sie diese Woche zurück, schon vergessen? Wir haben darüber geredet.«
Plötzlich kann ich es kaum noch erwarten, dass er abfliegt.
Ich sitze Chris und Saul gegenüber und esse ab und zu ein Stück von meiner Tomatenquiche, während ich mitschreibe, welche ungefähren Pläne die beiden entwickeln. Saul ist ein weltberühmter Schlafexperte und hat schon mit Oprah Winfrey gearbeitet. Ihre Stimmen werden lauter, als sie sich ausmalen, warum sie unbedingt ein Schlaflabor für Chris’ Schönheitscenter brauchen – Schlaf verjüngt den Körper. Schlaf bekämpft Krankheiten. Schlaf macht einen klüger.
Ich sage Saul nicht, dass ich letzte Nacht nur vier Stunden geschlafen habe.
Bevor wir ins Hotel zurückkehren, um unser Gepäck und das Auto zu holen, bleiben wir noch rasch an einem Saftstand stehen. Während wir die Angebotskarte mustern, ist der aufgedrehte Unternehmer-Chirurg auf einmal wieder er selbst. »Was für einen Saft nimmst du, Äffchen?«
Äffchen, ha. Das ist komisch. Ich bestelle einen kleinen Beeren-Smoothie, und er bekommt einen großen Multivitamin-Saft. »Für den Flug«, sagt er augenzwinkernd und tippt mir mit dem Strohhalm ins Gesicht.
»Ja klar.«
Ich finde ihn unglaublich anstrengend. Als der Portier den Wagen vorfährt, betrachte ich den Rücksitz und stelle mir vor, wie es wäre, wenn ich dort jetzt als Vorbereitung meiner fünfstündigen Fahrt nach Hause ein kleines Nickerchen machen könnte. Aber Chris hat vor dem Flug noch einen Termin in New Jersey mit einem weiteren Investor, und so wie es aussieht … ja, er macht es sich mit seinem Laptop auf dem Beifahrersitz bequem. Ich fahre also. Ich bitte ihn, auch ein Auge auf den Verkehr zu haben.
»Ja klar«, antwortet er, das Handy am Ohr.
»Kannst du das Navigationssystem herausholen?«, frage ich.
»Warum?«
»Damit ich die Adresse eingeben kann.«
»Ich habe die Adresse nicht.«
Ich starre ihn ungläubig an. »Du hast sie nicht?«
Er schüttelt den Kopf und erzählt mir, er könne sich daran erinnern, dass wir zu einer bestimmten Stelle in New Jersey müssen, wo sich eine Kreuzung befindet. Meine Nerven liegen blank. »Vielleicht sollten wir besser im Büro anrufen?«
»Ja.«
Vierzig Minuten später stehen wir dank der GPS -Götter auf dem Parkplatz eines Bürokomplexes, in dessen Nachbarschaft sich ein Autohaus und eine Fast-Food-Kette befinden.
»Kris?« Er steht an der Beifahrertür. »Ich trage diesen Pullover jetzt schon seit zwei Tagen. Kannst du ihn mit nach Hause nehmen?« Er wirft ihn mir zu.
»Okay.« Ich klemme den schwarzen Pullover unter den Arm und zähle an den Fingern ab. »Du hast deine Anzüge, deine Sneakers, Unterwäsche, deinen Computer … warte, deine Kamera, hast du deine Kamera?«
Er zeigt auf seinen schicken neuen Reiserucksack, den wir letzte Woche bestellt haben. »Die Kamera habe ich.«
»Okay, gut.« Er steht da, hält seinen Rucksack mit beiden Armen umklammert, und ich finde, er sieht aus wie ein kleiner Junge an seinem ersten Tag im Kindergarten. »Und, bist du aufgeregt?«
»Echt aufgeregt.« Ich liebe es, wenn er mit den Augen das Gleiche sagt wie mit seinen Worten. Er breitet die Arme aus, um mich zu umarmen. »Was werde ich nur ohne mein Äffchen machen?« Sein T-Shirt drückt sich weich an meine Wange. Sein Brustkorb ist so fest, und sein Duft überwältigend. Er ist der einzige Mann im Universum, der, obwohl er zu Fuß durch Manhattan rennt und danach stundenlang in einem französischen Restaurant sitzt, in dem es nach Zwiebelsuppe stinkt, trotzdem noch so riecht wie eine Parfümprobe, mit der man sich am liebsten von Kopf bis Fuß einreiben möchte.
Bitte fahr nicht.
Als ob er meine stumme Bitte hören würde, löst er sich von mir. »Bis in sechs Wochen dann.«
Es ist nicht meine Aufgabe, mir Sorgen um ihn zu machen, und trotzdem tue ich es. Der Investor, den er jetzt trifft, stellt einen Wagen zur Verfügung, der ihn heute Abend zum Flughafen bringen wird, aber es stört mich, dass ich den genauen Ablauf nicht in der Hand habe. Wenn Chris über dem Gespräch die Zeit vergisst … oder wenn sie, Gott behüte, in ihren Verhandlungen auf irgendwelche neuen Erkenntnisse stoßen. Er lernt immer gerne dazu, und er wird sich mit Freuden das Jackett ausziehen, noch etwas länger
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