Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
Celeste früher immer als »unverschämten Untermieter« bezeichnete, weil sie sich wochenlang halten und sich weigern, sich ausdrücken zu lassen.
»Der Wochenendtrip muss ja ganz schön anstrengend gewesen sein, was?«
»Ja, Grandma.« Wie soll ich ihr nur sagen, dass ich begriffsstutzig bin und offensichtlich nichts von dem begreife, was sie mir über Männer und Frauen beibringen will. »Ich muss etwas verstehen, und du musst es mir erklären.« Heute habe ich sogar ein Notizbuch dabei, weil ich mir gedacht habe, wenn ich Grandmas Lektionen aufschreibe, dann behalte ich sie wenigstens.
Grandma fragt mich, ob ich etwas trinken möchte.
»Nein, danke.«
Ob sie mir etwas zu essen anbieten kann.
»Das ist sehr großzügig von dir, Grandma, aber ich habe keinen Appetit.«
Ob ich einen Bleistift mit Radiergummi möchte.
Nein, ich schreibe einfach alles auf. Nichts wird ausradiert, und ich werde jedes Wort aufschreiben. Grandma muss mir erklären, wie ich lerne, Kompromisse einzugehen, ohne mich dabei selbst zu verlieren. Ich bitte sie, mir zu erläutern, warum manche Paare so gut miteinander auskommen. Ich erzähle ihr, dass ich am Wochenende versucht habe, Interesse an den Leidenschaften meines Partners zu zeigen, und dass wir am Ende beide verletzt waren. Wann wird meine Sehnsucht nach der Verbindung mit einer anderen Person endlich nicht mehr so schrecklich enden – vor allem für mich?
Ich beschließe, Grandmas Worte so lange aufzusaugen, bis mein Kopf voll ist. Ich bitte sie, sich so klar und direkt wie möglich auszudrücken, damit ich es endlich kapiere.
Wie sie mir erklärt hatte, hat Grandpa sich hauptsächlich um seine Karriere gekümmert. Sie meint, mittlerweile müsste mir klar sein, dass seine beruflichen Ziele für ihn oberste Priorität hatten.
Okay.
Aber sie hatte die Wahl, das zu akzeptieren oder eben nicht. Diese Entscheidung traf sie jeden Tag aufs Neue. Es war eine unabhängige Entscheidung, und sie lebte damit, auch wenn sie ihn zu einem Termin begleitete und am Empfang auf ihn warten musste, weil sie nicht mit hineindurfte. Und sie durfte nicht mit hinein, weil sie eine Frau war.
Aber sie bereut nichts. Sie hat sich entschieden, dass das für sie in Ordnung war.
Sie wurde jedoch als Tochter einer alleinstehenden Mutter geboren und von vier Erwachsenen aufgezogen: von der Schwester ihrer Mutter, dem Bruder ihrer Mutter, ihrem Großvater und von ihrer Mutter, die allerdings am wenigsten mit ihr zu tun hatte. Meine Urgroßmutter gab deutlich zu erkennen, dass Grandmas Geburt nicht geplant gewesen war und ihre Existenz nur geduldet wurde. Sie war das Ergebnis einer Beziehung, über die sie nie reden durfte.
»Warte, Grandma«, werfe ich ein. »Wer hat dir denn verboten zu fragen?«
»Die Schwester meiner Mutter. Die Botschaft war: ›Frag nicht nach deinem Vater, sonst regt sich deine Mutter auf.‹«
»Ah, okay. Bitte fahr fort.«
Grandma enthüllt mir, dass sie eine ziemlich einsame Kindheit hatte. Sie wuchs in einem großen, viktorianischen Haus voller steifer Erwachsener auf, die mit dem süßen kleinen Mädchen, das sich danach sehnte, geliebt zu werden, nichts anfangen konnten. Grandma sagt, sie hätten immer Katzen gehabt, aber das Haus war so streng, dass die Katzen niemals einen Fuß nach draußen setzen durften. Sie ging zur katholischen Schule (selbst heute gibt es dort nicht viele Schüler, geschweige denn vor siebzig Jahren, als die gesamte Grundschule in einen einzigen Klassenraum passte). Freunde fand sie kaum, weil sie sehr schüchtern war.
Ich kann mich an meine Urgroßmutter erinnern. Sie starb, als ich neun Jahre alt war. Sie hatte immer lange, gefeilte Fingernägel mit feuerrotem Nagellack. Sie trug großen, auffallenden Schmuck und hatte glänzend geschminkte Lippen. Sie lächelte nie, und sie las ständig. Wenn wir sie besuchten, tippte sie mit den Fingernägeln auf die Armlehnen ihres Schaukelstuhls, als ob sie eine Königin sei und wir die gewährte Audienzzeit bereits überschritten hätten. Mein Dad hat mir vor ein paar Jahren erzählt, dass sie manchmal tagelang am Stück geschlafen habe, und er meinte, wenn er heute so darüber nachdenken würde, hätte sie sicher unter einer ernsthaften Depression gelitten. Wer auch immer Grandmas Vater sein mochte, anscheinend hatte Grandma Leona sich selbst verloren, als er sie verlassen hatte. Ihr ganzes Leben lang war sie nur noch der Geist einer Frau.
»Als ich klein war«, Grandma hebt bedeutungsvoll die Stimme,
Weitere Kostenlose Bücher