Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
treffen. Meine Hoffnungen sind für ihn keine Bedrohung oder Abschreckung; er wird mir nicht das Gefühl geben, dass ich anstrengend oder kompliziert bin. Im Gegenzug werde auch ich auf seine Ziele eingehen, als ob sie mir genauso wichtig wären wie meine eigenen – und manchmal sogar noch wichtiger als meine eigenen. Und das bringt mir letztendlich die Erfüllung.
Als ich über Grandmas Worte nachdenke, stelle ich fest, dass ich genau das bei Tucker vermisst habe.
»Und jetzt kommt das Wichtigste.«
»Okay.«
»Du weißt, dass ich mir Gedanken darüber gemacht habe, was Grandpa tat, wenn er von zu Hause weg war …«
»Du meinst, du hattest ihn in Verdacht, Zeit mit anderen Frauen zu verbringen?« Ich hatte mich schon öfter gefragt, ob Grandma nicht misstrauisch war, wenn Grandpa so viel auf Reisen war.
»Nein, nein!«, wehrt sie ab. »Ich sage, ich habe mir Gedanken darüber gemacht. Und deshalb haben wir, sobald sich eine Gelegenheit bot, kurz miteinander gesprochen. Wenn alles okay war, ging jeder wieder an seine Arbeit.« Wie würde der Lehrsatz dazu lauten? »Du lebst dein Leben, und er lebt das seine.«
Wow, das gefällt mir.
Während sie die Muffins in eine Plastikdose packt, damit ich sie mit nach Hause nehmen kann, fährt sie fort: »Hier zum Beispiel: Die Muffins unten haben Datteln und Walnüsse – sie sind für deine Mutter. Die einfachen sind für deinen Dad, er hat Nüsse schon als Kind gehasst. Wenn deine Mom Muffins backt, tut sie dann in alle Walnüsse hinein?«
»Nein. Sie macht ein paar ohne alles für Dad, und in den restlichen Teig gibt sie Beeren oder Nüsse für sich.«
»Genau. Du siehst also: Deine Mom und dein Dad sind nicht immer einer Meinung, aber sie zwingen dem anderen ihre Vorlieben nicht auf.«
»Aber sie teilen die gleichen Werte«, überlege ich laut. »Und deshalb essen sie beide auch gerne Vollkorn-Muffins – um gesund zu bleiben.« Ich denke an den frischen Fisch, von dem Chris mir vorgeschwärmt hat, im Gegensatz zu den fettigen Chicken Wings, die Tucker gegessen hatte. Mir wird immer klarer, warum ich mich mit jemandem wie Chris, der es liebt, Neues auszuprobieren, der gerne liest und in fremde Länder reist, mehr verbunden fühle. Football und Pick-up Trucks inspirieren mich eben nicht so … und das ist im Wesentlichen der Grund, warum Tucker und ich uns getrennt haben.
Grandma legt den letzten Muffin in den Plastikbehälter und schließt den Deckel. »Denk dran, ohne alles unten, Datteln und Walnüsse oben.«
»Okay.« Aber ich konzentriere mich nicht wirklich darauf, sondern denke über unser Gespräch nach.
Grandma lacht über meine angestrengte Miene. »Es ist ganz leicht, Liebes«, sagt sie und umarmt mich. »Du musst nur ein Individuum sein und deinen Partner auch so lassen, wie er ist.«
Auf der Heimfahrt versuche ich, Grandmas Lektion zu wiederholen, aber auf Italienisch. Meine Übersetzung ist zwar nur auf Vorschulniveau, aber ich genieße die rollenden R. Schon im Lokal am Abend zuvor ist mir klargeworden, wie sehr ich es vermisse, Italienisch und mit Händen und Füßen zu sprechen. Allein im Auto, versuche ich mich an einem einseitigen Gespräch mit meiner Urgroßmutter Angeladea (was übersetzt etwa »Engel Gottes« heißt). Vermutlich ist sie die einzige Person, die mein Italienisch im Himmel hören kann. Ich frage sie, woher sie wusste, dass mein Urgroßvater der richtige Mann für sie war.
Angela war Grandmas Schwiegermutter, und in den ersten Jahren von Grandmas Ehe mochte Angela ihre Schwiegertochter nicht. Grandma sagt, sie weiß nicht, warum, aber vielleicht mochte Angela lieber Frauen mit Rückgrat. Als ich ein Kind war, erklärte meine Urgroßmutter mir einmal mit ihrem schweren italienischen Akzent, ich solle keine Kinder bekommen, bevor ich das College beendet hätte. Und ich solle auf jeden Fall nur einen Mann heiraten, der nett zu mir ist. Grandpa hat wahrscheinlich seine Unabhängigkeit und sein Pflichtbewusstsein von seiner Mutter geerbt, und es gibt zwei Geschichten über Angela, an die ich gerne denke.
Als meine Eltern gerade geheiratet hatten, besuchten sie Angela in der Wohnung, in der sie lebte, nachdem mein Urgroßvater Zaccharia Ende der 1970er Jahre gestorben war. Ihr Papagei krächzte während ihres Besuchs ständig »Hurensohn! Hurensohn!«. Grandma Angela schaute meine Eltern an und sagte: »Ich weiß nicht, wer dem Vogel beigebracht hat zu fluchen.« Dad antwortete: »Das musst du gewesen sein, Grandma! Er spricht
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