Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
ist. Tucker weiß noch nicht, was er mit seinem Leben anstellen will, und er gibt sich selbst die Schuld daran. Ich kann ihn nicht noch zusätzlich mit meinen eigenen Plänen und Erwartungen belasten. Von nun an muss sich jeder von uns um sich selber kümmern.
Heute Abend lege ich meine Vitamintabletten und meine Handlotion auf den Nachttisch im Gästezimmer, als ich mich zum Schlafengehen fertigmache. Seit der Highschool vermeide ich es, nach einer Trennung in meinem eigenen Bett zu schlafen. Ich muss morgens aufwachen und eine andere Szenerie vor Augen haben, das Licht, das in einem anderen Winkel einfällt, das Gefühl, dass ein neuer Tag mir eine neue Perspektive bringt. Dummerweise riecht das Kissen, das ich aus meinem Bett mitgenommen habe, nach Tucker, weil er vor dem Wochenende bei mir geschlafen hat.
Ich weiß, dass diese Trennung richtig ist; ich wusste von Anfang an, dass das mit Tucker und mir nicht für die Ewigkeit war, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich gerade schon wieder einen Mann verloren habe, der mir etwas bedeutet hat. Ich werde mich einsam fühlen, wenn er gegen Mittag nicht anruft; wenn wir an den Freitagabenden nicht mit unseren Freunden ausgehen, nicht an den Hochzeiten teilnehmen, zu denen wir eingeladen sind. Ich bin nicht wieder nach Hause zurückgezogen, um hier einsam zu sein, und doch bin ich es und liege in unserem großen Gästebett. Auf dem Nachttisch steht ein paar Jahre altes Foto von Grandpa und Grandma, das auf dem Debütantinnenball meiner Cousine in St. Louis aufgenommen wurde. Grandpa trägt einen Smoking mit Satinweste und Fliege und Grandma ein langes, blaues Kleid. Tropfenförmige Ohrringe baumeln von ihren Ohrläppchen, und die Kette ist aus den gleichen Kristallen. Grandpa hat den Arm schützend um ihre Schultern gelegt, und eng aneinandergeschmiegt stehen sie entspannt da. Ich blicke Grandpa an und sage: »Ich möchte jemanden wie dich.« Warmherzig, attraktiv, selbstsicher. Er erwidert mein Lächeln, ein Versprechen, dass es solche wundervollen Männer gibt.
Ich kann kaum glauben, dass ich wegen der Trennung so traurig bin. Ich habe sie doch kommen sehen. Es gibt keine Verwirrung, ich brauche nichts zu analysieren, und doch brenne ich darauf, es jemandem mitzuteilen: »Tucker und ich haben uns getrennt.« Mom will ich es nicht erzählen, weil sie mich von Anfang an davor gewarnt hat … und es Chris zu mailen, erscheint mir unpassend. Kann ich Grandma anrufen? Nein. Es ist fast drei. Sie schläft bestimmt.
Aber dann übermannt mich doch der Schlaf, denn als ich aufwache, strahlt die Sonne durch das Fenster des Gästezimmers. Meine Augen sind schwer und brennen, und mein ganzer Körper schmerzt, weil ich zu wenig geschlafen habe. Ich könnte ja liegen bleiben, aber es sieht nicht so aus, als ob die Sonne das zulassen würde. Von unten dringen Geräusche aus der Küche, Türen werden geschlagen, ein Holzlöffel schabt über einen Pfannenboden.
Ich brauche Kaffee.
In der Küche geht Mom, von den Hunden auf Schritt und Tritt verfolgt, ihren Pflichten nach. Sie ist noch im Schlafanzug. »Guten Morgen, Sonnenschein«, sagt sie, als ich sie küsse. »Oh, oh, da hat aber jemand gar nicht gut geschlafen.«
»Nein.« Ich nehme mir einen Löffel. »Aber ich möchte mal deine Soße probieren.«
»Wir haben auf Grandpas Geburtstag alles aufgegessen, und ich wollte neue Soße für Grandma machen, damit sie sie einfrieren kann.«
Ich sage Mom, dass ich sie ihr heute Nachmittag vorbeibringen werde, und dann rufe ich Grandma an, um sie zu fragen, ob sie etwas braucht, weil ich gleich in die Stadt fahre.
»Nein«, erwidert sie, »ich brauche nur dich.«
Ich verzichte auf den Hollywood-reifen Auftritt vor Grandmas Haustür, den ich mir schon ausgemalt habe. Unser Wochenende war schrecklich. Wir haben gestritten, und er hat mir weh getan, hier, sieh dir die blauen Flecken an … Dann hätte ich mir die Nase mit dem Ärmel abgewischt (bei großen Gefühlen spielen gute Manieren keine Rolle). Und ich habe noch nicht einmal einen Fisch gefangen! Mit diesen Worten wäre ich weinend zu Boden gesunken. Bitte heile mich!
Stattdessen zieht Grandma mich einfach hinein, wischt sich die Hände an der Schürze ab und sagt: »Ich backe gerade Muffins für dein …« Sie bricht ab und mustert mich. »Du siehst aus, als hättest du seit Tagen nicht geschlafen.«
Unter ihrem Blick spüre ich, wie mir ein riesiger Pickel am Kinn wächst. Das wird bestimmt einer von denen, die
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