Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
lernen. Ich liebe den Satz von Descartes: »Ich denke, also bin ich.« Ich bin eine Frau, also bin ich wundervoll. Wir müssen nichts weiter tun, als zu existieren, um als die schönsten Geschöpfe der Welt zu gelten.
Aber damit ist natürlich die Latte für mein Benehmen hoch gelegt. Ich habe von Grandma gelernt, dass ich mich auch dementsprechend benehmen muss, wenn ich als intelligent, achtbar und erstklassig angesehen werden möchte. Ich zeige der Welt, wie sie mich behandeln soll, durch die Art, wie ich mit mir selbst umgehe.
Nach jenem Tag, als ich erfuhr, dass Grandma ein Seidenhemdchen unter ihrer Alltagskleidung trägt, begann ich, wieder Unterhemden zu tragen. Das hatte ich seit meiner Erstkommunion nicht mehr getan, aber es fühlte sich richtig an. Grandma hat mir beigebracht, dass – gleichgültig, ob ich in einer Beziehung bin oder nicht – einige meiner weiblichen Erfahrungen nur mich selbst etwas angehen. Eines Abends gestand sie mir, dass sie nie auf den Gedanken gekommen wäre, vor der Ehe Sex mit Grandpa zu haben. »Man muss sich ja schließlich hinterher auch noch in die Augen sehen können«, sagte sie.
Was habe ich getan ? Ich habe mich einem Mann – vielen Männern – hingegeben, und es ist kein Wunder, dass ich mich danach manchmal wertlos gefühlt habe. Warum haben sie nicht angerufen, warum haben sie nicht versucht, mich wiederzusehen? Waren ihnen meine Gefühle egal, weil auch mir meine Gefühle für einen Moment, etwa nach zu viel Wein oder Schnaps mit Freunden, gleichgültig waren? Ich wollte begehrt werden, ohne dass diese Männer mich kannten oder wussten, was ich fühle – aber jetzt sehe ich ein, wie wichtig es ist, mich zurückzuhalten. Und Grandma hat während unseres Gesprächs auch noch hinzugefügt: »Magst du denn, was andere übrig gelassen haben?« Außer an Thanksgiving oder wenn es sich um Moms Spaghetti handelt, nicht so sehr. Grandma sagte, wenn eine Frau sich als etwas Besonderes sieht, dann tun es die Männer auch. »Du hast mehr von ihm und von der Beziehung«, erklärte sie.
Ich habe mir eingeredet, was für eine Ehefrau ich sein sollte. Ich dachte, ich müsste eine unglaublich gute Köchin und blendende Unterhalterin sein, immer schlagfertig, wild im Bett, liebevoll, Mutter einer ganzen Schar von Kindern, perfekt gestylt und leistungsorientiert … aber ehrlich gesagt, war meine Großmutter keineswegs so, und sie führte trotzdem eine wunderbare Ehe. Ich habe geglaubt, ich müsste in allem gut sein, damit mich jemand lieben kann. Aber als mein Grandpa meiner Grandma zum ersten Mal begegnete, ist sie einfach nur die Straße entlanggegangen ; sie hat nichts außergewöhnlich Tolles oder Bewundernswertes gemacht; sie war nicht auf einer Party und hat sich geistreich unterhalten; sie hat nicht das Kleid getragen, das ihre Designer-Freundin in New York für sie entworfen hat und das seit vier Jahren im Schrank hängt und auf die richtige Gelegenheit wartet, getragen zu werden. Sie wollte sich nach der Arbeit mit ihrer Mutter treffen … sie war einfach nur da. Grandma hat mir beigebracht, dass ein Mann eine Frau nicht liebt, weil sie versucht, so zu sein, wie er sie gerne hätte, er liebt sie einfach nur, weil sie da ist.
Ich behaupte aber, dass es gut für eine Frau ist, sich von einem Mann inspiriert zu fühlen. Und ich weiß, Grandma würde mir zustimmen. In der Psychologie gibt es die Theorie, dass jeder Mensch mit dem Streben zur Welt kommt, sich neu zu erfinden; zu wachsen und sich zu entwickeln, um so gut wie möglich zu werden. Und auch in einer Beziehung sollte man versuchen, sich selbst zu verbessern. So hat es jedenfalls in der Beziehung meiner Großeltern funktioniert.
Als wir an jenem Tag das Krankenhaus verließen, sagte Grandmas Arzt ihr, sie solle sich keine Sorgen machen. Sie solle lediglich ein Medikament absetzen, das Schwindelgefühle verursachte. »Kein Schlaganfall?«, fragte sie ihn.
»Wir machen noch einen Termin für eine Computertomographie, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es kein Schlaganfall war.« Er schwieg einen Moment. »Und, Mrs Gasbarre, eins kann ich Ihnen versichern: Wegen Ihres Gedächtnisses mache ich mir im Moment keine Sorgen.«
Sie blickte ihn fragend an.
»Sie nehmen Ihre Medikamente, und wir behalten Sie im Auge, aber die Testergebnisse sind normal, und Ihre Symptome sind nicht schwerwiegend genug, als dass ich weitere Schritte einleiten müsste. Ich frage mal Ihre Enkelin: War Ihre Großmutter nicht immer ein
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